Prof. Friedrich Schatzl, ein Schüler von Prof. Eugen Mayer (Wien), sagt in dem Aufsatz „Lebendiges Metall — schöpferische Form“ über seine Lehrtätigkeit: „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was das griechische Wort „techne bedeutet? Es ist die gemeinsame Bezeichnung für Arbeit und Kunst. Die Grie¬ chen erkannten die Wesensgemeinschaft und die Zusammengehörigkeit dieses Dop¬ pelbegriffes, dem nur zum Schein zweierlei Bedeutung zukommt. An unserer Schule ist dieser Begriff schon lange Zeit verwirklicht. Die gemeinsame Berücksichtigung von Material, Technik und Zweck des Gegenstandes bildet die Grundlage für jedes Formschaffen. Freilich geht es dabei nicht so sehr um denZweck als solchen,wie um die Veranschaulichung des Zwecks; nur so wird der geschaffene Gegenstand prägnan¬ S S Schlüssel für die Minoriten¬ kirche, Grabeskirche Kolpings, 1757/58, R. Müller. Styria¬ stahl NHP, 26 cm hoch. tes Symbol seiner Funktion, aber auch zugleich eine geistige Aussage des gestalten¬ den Handwerkers für alle Menschen, welche ihr Herz und ihren Sinn demSchönen zuwenden.“ Sowohl Krepcik als auch Schatzl waren Schüler Gerstmayrs. Das jüngste größere Werk, das im Rahmen der Schule entstanden ist, ist der Stahlschnittschlüssel für die Minoritenkirche in Köln, in deren Gruft der „Gesellen¬ vater“ Kolping begraben ist. In einer kindhaften Verehrung für Blümelhuber und von hohem Idealismus getragen schuf Richard Müller als Gastschüler in einer ein¬ — jährigen Arbeit diesen Stahlschnittschlüssel. Erst der neunteEntwurf wurde aus¬ geführt. Der Schlüssel weist in Stahlschnitt=Durchbruchsarbeitdas Symbol Christi, die drei Kronen als Wappen Kölns sowie die Symbole desHandwerks (Hammer und Hobel) und des Priestertums (Kelch und Hostie) und im Geviert das Zeichen Kolpings auf. Der Schaft des Schlüssels trägt in einem kunstvoll ausgearbeiteten Band die letzten Worte Kolpings: „Nimm das Kreuz und wehr dich damit!“ Der Schlüssel hat die Länge von 26 cm. Das Werkstück (Styriastahl NHIP) wog 2.06 kg. Der ertige Schlüssel wiegt 0.44 kg (Bild 11). Mit diesem Schlüssel hat der Kolpingsohn Müller die Forderung an das Kunst¬ handwerk verwirklicht. Zusammenfassend können wir sagen, daß wir bei jedem der genannten Män¬ ner fühlen, daß wir es mit künstlerischen Persönlichkeiten zu tun haben. Jeder Künstler hatte dasselbe Mittel, denselben Stoff Stahl. Jeder hat dieses Mittel in eigener Art gehandhabt, hat den Stoff in eigener Art geformt. Jeder hat gleichsam dem vorhandenen Stoff Stahl sein eigenes Bild aufgeprägt. Je schärfer dieses Bild ist, desto höher schätzen wir die künstlerische Kraft. Die Stärke der Stahlschnittkunst liegt in der Darstellung von Ordnungsgefügen, von Symbolen. So wie der Mathe¬ matiker das Finden des Ordnungsgefüges in einer Gleichung als „schön“ bezeich¬ net, so gilt das auch für das Finden des Ordnungsgefüges in einem Kunstwerk. Viele Menschen finden nicht gleich das Ordnungsgefüge und lehnen daher so man¬ 94
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