21 Von Friedrich Strasser Seit eh und je standen der Hollerrieder, Sproß und Erbe eines ansehnlichen Hofes, und der Kreuzhuber, weniger begütert, aber wendig und aufgeschlossen,in einem nie endenden Wettstreit. Erstand etwa der Kreuzhuber einen Traktor, so thronte wenige Tage später der Hollerrieder auf einem Allzweckschlepper; ließ der Kreuzhuber elektrisches Licht einleiten, so schaffte sich der Hollerrieder dazu noch ein Telephon an; begann der Kreuzhuber seine Ernte mit einem Bindemäher,so beendete der Hollerrieder die seine mit einem Mähdrescher. So waren die beiden, ehe sie sich dessen versahen, alte Männer geworden, die daran denken mußten, den Hof zu übergeben. Sie taten es nicht leichten Herzens, aber die Kinder waren groß, der Hollerrieder hatte einen frischen Buben, der Kreuz¬ huber ein braves Dirndl, beide schon verlobt, aber nicht miteinander, und es war an der Zeit, die schwere Bauernarbeit auf jüngere Schultern zu legen. Doch ehe es zu einem künftigen Wettstreit kam, fand noch ein letzter zwischen den Alten statt. Und das kam so: Im Wirtshaus prahlte, wie schon öfter, der Hollerrieder, er werde den Hof so übergeben, daß keiner neben ihm bestehen könne. Das galt diesmal dem Kreuzhuber, der ausnahmsweise mit am Tische war. Der hörte erst ruhig zu, doch als das Prahlen gar kein Ende fand, ließ er sich gleichfalls vernehmen und meinte bedächtig, er denke seinen Hof nicht schlechter als der Hollerrieder auszurüsten. Mehr brauchte der Großbauer nicht. Er patschte mit der flachen Hand auf den Tisch und vermaß sich, um ein Eimerfaß Wein zu wetten, daß er das Bessere tun werde. Ohne Zögern nahm der Kreuzhuber die Wette an, die am Tisch sitzenden Nachbarn wurden zu Schiedsrichtern erwählt und die Gesellschaft ging auseinander. Die nächsten Wochen hielten die ganze Nachbarschaft in Hochspannung. Auf beiden Höfen hub ein heimliches Treiben an, dem die Nachbarn mit kaum bezähm¬ ter Neugier zusahen. Besuche kamen aus der Stadt und gingen wieder, Bahn und Fernlaster brachten umfängliche Sendungen, Arbeiter kamen, machten anderen Platz, bis schließlich die beiden Rivalen zur Besichtigung ihrer Höfe einluden. Der erste war der des Hollerrieders, ein wahres Schmuckkästchen. Die Gebäude strahlten in fleckenlosem Weiß, im Hof, in dessen Mitte sich die große Pumpe mit ihrem mächtigen Brunnenschwengel wie ein Gockelhahn emporreckte, hätte man vom Boden essen können. Die eigentliche Pracht aber begann erst im Innern: eine Küche mit Elektroherd und allen erdenklichen elektrischen Geräten, ein Rundbau¬ Schlafzimmer aus kaukasisch Nuß, ein modernes Kinderzimmer und als Gipfel eine Bauernstube von Zirbenholz aus einer städtischen Großtischlerei mit einem Riesen¬ radio, einem Plattenwechsler und einem Fernsehgerät, das die Mitte der Längs¬ wand beherrschte. Immer größer wurden die Augen der Schiedsrichter, immer mit¬ leidiger die Blicke, die den Kreuzhuber streiften. Nur der allein behielt seine gut¬ mütig bescheidene Ruhe. Endlich war die Besichtigung beendet. Man trank noch ein Glas Wein, dann machte man sich auf den Weg zum andern Hof, doch nur darum, weil man es ein¬ mal versprochen hatte. Aussichten gab man dem Kreuzhuber keine. Daß der zweite Hof genau so von Sauberkeit blitzte wie der erste, war selbst¬ verständlich. Freilich war er nicht so umfänglich, und auf die Frage eines der Schiedsrichter, dem die große Pumpe im Hof des Hollerrieders aufgefallen war, wo denn der Kreuzhuber die seine habe, antwortete dieser gleichmütig nur: „Kommt 70
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