Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1958

Zwei Schuke im Schrank Von Heinz Werner Nun erst, Jahre nach dem Kriege, hatte sich Frau Brigitte wieder ein kleines Heim schaffen können, in dem sie sich nach langer Zeit wieder ein bißchen geborgen fühlte. Es war in den letzten Wochen des Krieges gewesen, als sie ihr Zuhause ver¬ lor, an einem jener Tage, als die Bomber über die kleine Stadt kamen und ihre furchtbare Last abwarfen. Keuchend und zitternd hatte sie damals, im Schutt wühlend, den kargen Rest ihrer Habe aus den Trümmern geborgen. Ein paar Stücke Geschirr, einige zerschlagene Möbelstücke und den alten Bücherkasten, der noch vollkommen erhalten war. Immer wieder tastete sie im Schutt herum. Plötzlich fand sie doch die kleinen Schuhe. Es war ihr, als ob sie einen großen Schatz wiedererlangt hätte. Zwei kleine Schuhe, kaum einige Zentimeter lang, aus dünnem Leder, verschmutzt und etwas zerdrückt, mit halb aufgerissenen Spitzen vorne ... Nun stehen sie im alten Bücherschrank vor der unteren Buchreihe. Manchmal, wenn sich Frau Brigitte, ermüdet von der Arbeit des Tages, ganz einsam und verlassen fühlt, nimmt sie die beiden kleinen Schuhe aus dem Schrank und strei¬ chelt liebkosend mit den Händen über das schon recht schadhafte Leder. Die kleinen alten Schuhe scheinen sodann ein seltsames, schmerzhaftes Leben zu bekommen. Die Erinnerung an die glücklichste Zeit ihres Lebens steht vor ihr ... Es waren des kleinen Stefan, ihres geliebten Jungen, erste Schuhe. Taumelnd tat damals der Knabe seine ersten Schritte in diese jammervolle Welt. Immer wieder fiel er nach vorne hin und begann zu weinen. Von den Küssen und Zärtlich¬ keiten der Mutter beruhigt, stand er bald wieder auf und stapfte lustig weiter im kleinen Park.. Mit den Jahren wuchs der kleine Stefan zu einem großen, starken Jungen heran. Eines Tages holten sie auch den geliebten Sohn in den großen Krieg. Dann kamen die Jahre schmerzvollen Bangens und Hoffens. Etwa in den Tagen, als Frau Brigitte ihr Heim verlor, kam die furchtbare Nachricht. Stefan war irgend¬ wo in den ostpreußischen Wäldern während des großen Flüchtens gefallen. Unter einer alten Föhre hatten ihm die Kameraden das Birkenkreuz gesetzt... Seither war über Frau Brigitte der große Schmerz gekommen, den auch die Zeit nie mehr ganz heilt. Fest drückt sie die kleinen Schuhe an sich. Sie ist dann ein bißchen glücklicher. Immer wieder, wenn sie die Schuhe in der Hand hält, fühlt Frau Brigitte ein seltsames, schmerzhaftes Drücken im Halse und unter den Augenlidern. Plötzlich weiß sie, daß es die Tränen sind, die hinter den Augen warten. Leise schluchzend stellt sie die kleinen Kinderschuhe wieder in den Schrank zurück ... Dann ist Frau Brigitte wieder allein, allein mit sich selbst und dem hastenden Leben draußen in der Welt. Schwer und undurchdringlich ist das Dasein in seinem letzten Sinn. Manch¬ mal machen auch Tränen ein bißchen glücklich, wenn es auch nur ein Schluchzen und Sehnen in die Erinnerung ist ... WIR STEHEN IM TRAUERFALL MIT RAT UND HILFE ZUR VERFUGUNG! STADT. BESTATTUNG, STEYR, KIRCHENG. 1, Tel. 23 71. Nachtruf 27 0 85. 67

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