Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1958

erhabenen Geister, welche in fortlaufenden Gesprächen ihrer unbeschreiblichen Freu¬ de Ausdruck verleihen. Die Heiligen befinden sich in Verzückung, die Engel musi¬ zieren, und du hörst ja die erhabenen Klänge des Konzertes, wir andern aber, zu denen du nun auch gehörst, bilden die Heerschar der Seligen, und wir haben die Aufgabe, nach unsern bescheidenen Kräften den Eindruck des höchsten Glückes her¬ vorzubringen. Zu diesem Zwecke erhält jeder eine Harfe. Ich führe dich jetzt zu unserm Obersten, dem Engel Asrael, welcher sie dir verabreichen wird.“ „Was tua denn i mit a Harpfen?“ unterbrach ihn Angermayer sehr unwirsch. „Du mußt frohlocken“ sagte der Begleiter. M=hm, ja! Is scho recht! Weil i gar so guat aufg'legt bi, und überhaupts i ko gar net Harf'n spuil'n - — siehst du, so...“ „Du mußt nur in die Saiten greifen Der lebhafte Jüngling nahm sein Instrument, das an einem rosaroten Bande seine Schulter hing, und klimperte ein wenig. über Dabei hüpfte er im Takte abwechselnd einige Male auf dem rechten und lin¬ ken Fuße nach vorne und sang mit näselnder Stimme: „Ha=a=lä=ä=lu=u=jah ... Ha — ha lälälä=u=u=ha=hal ... lalala Er hielt inne und blickte den Sekretär lächelnd an. Der machte ein Gesicht, als wenn er saures Bier getrunken hätte. „Wia hoaßt mat dös? „Das ist das Frohlocken der Heerscharen“ antwortete der Jüngling. „Und Sie glaub'n“ sagte Angermayer, und ein bitterer Hohn spielte um Mundwinkel, „Sie glaub'n, daß i bei so was mittua? I? Dös könna seine S ja denk'n, daß i umanandahupf wiar a spinneter Hanswurscht Eahna „Deine Sprache ist rauh“ erwiderte der Jüngling, „und dein Antlitz zeigt we¬ der Ruhe noch Glückseligkeit, aber bald wird Harmonie dein Wesen verklären ...“ „De Sprüch mag i“ antwortete der erbitterte Postsekretär, und nach einer Weile fügte er hinzu: „Sie, passen S' auf, was san denn Sie früher g’wes'n?“ „Was ich ...?“ „Ja, was Sie bei Lebzeit'n g’wen san?“ „Ach so, als ich noch auf Erden wandelte?“ Und als Angermayer nickte, überflog ein seliges Lächeln der Erinnerung die des langgelockten Jünglings, und er flüsterte mehr als er sprach: Züge „Ich war Lehrer für rhythmische Gymnastik und harmonische Exterikultur. „Was is dös?“ brummte sein Begleiter, „dös versteh' i net.“ „Ich lehrte die Jugend, sich rhythmisch bewegen und . . .“ „Jetza!“ schrie der Sekretär, „i hab ma's do glei denkt! A Schlawiner, a Tanzmoasta! Und von Eahna soll i was lerna, frohlock'n oder so an Schmarrn? Jetzt hamm S' Zeit, daß Eahna verziahgn, sunst nimm i Eahna d' Harpfen und schlag Eahna umanand damit ...“ Der Jüngling entfloh mit einem Schreckensruf und ließ Angermayer allein zu¬ rück, mitten in einer Asphodeluswiese, auf die er sich nun hinsetzte, voll innerlichen Zornes über das Schicksal, das einen königlichen Sekretär dazu brachte, nackend im Grünen zu weilen. Er starrte grimmig vor sich hin und überdachte die Möglichkeiten, von hier zu entrinnen. Da sich ihm keine zeigen wollte, und da er sich immer mehr darüber klar wurde, daß seine Versetzung in diese Gegend eine definitive wäre, bestärkte er sich in dem Entschlusse, jede Zumutung abzulehnen, die mit seinem Charakter, seinen Neigungen und vor allem mit seiner Beamteneigenschaft nicht in Einklang... Er wurde in seinem Gedankengang unterbrochen. Zwei riesige Engel ergriffen ihn, jeder bei einem Arm, und entführten ihn so schnell und gewaltsam, daß seine Füße den Boden kaum mehr berührten. Aber seltsam! 54

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