hinter ihm her in das spritzende Wasser und erjagte ihn auch glücklich. Aber die Steine waren schlüpfrig, auf halbem Wege glitt ich aus und fuhr kopfüber zu Grunde. Dem Vater erging es nicht besser, als er einerseits hineinstieg, um mit dem Stock nach mir zu angeln. Auch er konnte sich nur auf allen Vieren zur Not über Wasser halten. Da schürzte denn die Mutter elbst am Ufer ihre Röcke und stieg beherzt in den Bach, entschlossen, wenigstens den Ernährer zu retten. Aber freilich so weit kam sie gar nicht, weil Elisabeth in ihrem Unverstand dachte, wir wollten vielleicht nur einen kürzeren Weg einschlagen. Sie stolperte hinter der Mutter her, und natürlich wurde sie augenblicklich von den Fluten verschlungen. Es währte geraume Zeit alles in allem, bis wir, gezählt und zum Trocknen aufgereiht, wieder am Uferrain in der Sonne itzen konnten. Hinterher schickte mich die Mutter zum heiligen Nepomuk mit einer Kerze für die wunderbare Rettung, sehr zu Unrecht, wie mir schien. Denn wir wären ja gar nicht in Wassernot geraten, hätte der Heilige nur auch die vier Winde besser in der Zucht gehalten. Ums Vaterwort Von Peter Rosegger Ich habe im Grunde keine schlechte Erziehung genossen, sondern gar keine. War ich ein braves, frommes, folgsames, anstelliges Kind, so lobten mich meine Eltern; war ich das Gegenteil, so zankten sie mich derb aus. Das Lob tat mir fast allezeit wohl, und ich hatte dabei das Gefühl, als ob ich in die Länge ginge, weil manche Kinder wie Pflanzen sind, die nur bei Sonnenschein schlank wachsen. Nun war mein Vater aber der Ansicht, daß ich nicht allein in die Länge, sondern auch in die Breite wachsen müsse, und dafür seien der Ernst und die Strenge gut. Meine Mutter hatte nichts als Liebe. Liebe braucht keine Rechtfertigung, aber die Mutter sagte: wohlgeartete Kinder würden durch Strenge leicht verdorben, die Strenge bestärkte den in der Jugend stets vorhandenen Trotz, weil sie ihm fort und fort neue Nahrung gebe. Er schlummere zwar lange, so daß es den Anschein habe, die Strenge wirke günstig, aber sei das Kind nur erst erwachsen, dann tyrannisiere es jene, von denen es in seiner Hilflosigkeit selbst tyrannisiert worden sei. Hin¬ gegen lege die liebevolle Behandlung den Widerspruchsgeist schon beizeiten lahm; Kindesherzen seien wie Wachs, ein Stück Wachs lasse sich nur um die Finger wik¬ keln, wenn es erwärmt sei. Mein Vater war von einer abgrundtiefen Güte, wenn er aber Bosheit witterte oder auch nur Dummheit, da konnte er scharf werden. Es dauerte aber nie lange. Er verstand es nur nicht immer, das rechte Wort zu sagen. Bei all seiner Milde hatte der mit Arbeit und Sorgen beladene Mann ein stilles, ernstes Wesen; seinen reichen Humor ließ er vor mir erst später spielen, als er vermuten konnte, daß ich genug Mensch geworden sei, um denselben aufzunehmen. In den Jahren, da ich das erste Dutzend Hosen zerriß, gab er sich nicht just viel mit mir ab, außer wenn ich etwas Unbraves angestellt hatte. In diesem Falle ließ er seine Strenge walten. Seine Strenge und meine Strafe bestand gewöhnlich darin, daß er vor mich hin¬ trat und mir mit zornigen Worten meinen Fehler vorhielt und die Strafe andeutete, die ich verdient hätte. Ich hatte mich beim Ausbruche der Erregung allemal vor den Vater hinge¬ stellt, war mit niederhängenden Armen wie versteinert vor ihm stehengeblieben und hatte ihm während des heftigen Verweises unverwandt in ein zorniges Gesicht ge¬ chaut. Ich bereute in meinem Inneren den Fehler stets, ich hatte das deutliche Gefühl der Schuld, aber ich erinnere mich auch an eine andere Empfindung, die 46
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