Wiborschal war dabei nicht nur von seinem Können, sondern auch von dessen durchschlagender Wirkung auf die gar nicht geringe Schar seiner Leser zutiefst überzeugt und das gab ihm bei allem, was er hervorbrachte, eine erstaunliche Würde und Selbstsicherheit, die wieder in verblüffendem Gegensatz zur Armut und Windigkeit seiner Leistungen stand. Die stetig wachsende Zahl der Abonnenten erfüllte ihn mit nicht geringem Stolz und er führte auch jeden neuen Abnehmer in seiner Zeitschrift namentlich an, so wie man etwa ein neugewonnenes Vereinsmitglied den übrigen mit Ge¬ nugtuung vorstellt; der Unglückselige ahnte dabei nicht, daß es tatsächlich ein Ver¬ ein war, der Wiborschals Monatshefte mit Eifer abonnierte, nämlich der über die ganze Erde verbreitete und niemals aussterbende Verein der Spötter, der Bos¬ haften und Schadenfrohen, denen die unfreiwillige Komik seiner Dichtungen reich¬ lich Stoff zur gesundheitsfördernden Heiterkeit bot. Und so war es wohl auch an jenem Nebeltag im Militärgeographischen Institut. Wiborschal hatte in der uns vorliegenden Nummer verkündigt, es handle sich diesmal um ganz besondere Leckerbissen aus seiner poetischen Mappe, und das hatte, so wie die Dinge nun einmal lagen, auch eine entsprechende Vergrößerung des ahnungslos darin aufge¬ stapelten unfreiwilligen Humors zur Folge. Ich war vielleicht der einzige, der in die schallende Heiterkeit der im Saale Versammelten nicht ganz unbefangenen Herzens einstimmen konnte denn ich fühlte mich, ich konnte es drehn und wenden wie ich wollte, mit diesem seltsamen Schwärmer und Abseitssteher Wiborschal doch irgendwie in dunklen Untergründen der idealen Forderung verwandt, denn hinter aller Kläglichkeit des Resultats stand immerhin die ernste Absicht, dem Geiste zu dienen und um seine Gunst sich zu bemühen. Meine Kameraden aber nahmen die Sache realer, sie folgerten nicht mit Un¬ recht, daß dem Herausgeber Wiborschal vor allem durch einen neuerlichen kräftigen Zuwachs seiner Leser gedient sei und beschlossen daher samt und sonders, die originellen Monatshefte auf ein ganzes Jahr zu abonnieren. Ich hatte bald darauf einen längeren Urlaub anzutreten, so daß ich die Ent¬ wicklung des Weiteren für einige Zeit aus dem Auge verlor. Der Zufall aber wollte, daß ich gerade an jenem Tag wieder einrückte, an dem abermals eine Nummer der mit allgemeiner Spannung erwarteten Monatshefte erschienen war. Und ich fand darin auf der ersten Seite eine groß geschriebene Erklärung Wibor¬ schals, die mich aufs höchste überraschte. Er teilte darin die verblüffende Tatsache mit, daß ihm vom „Ministerium der schönen Künste“ in Würdigung seiner beson¬ deren Verdienste um die deutsche Literatur der „Orden für Dichtkunst dritter Klasse am grünen Bande“ verliehen worden sei, was er mit begreiflicher Freude und Genugtuung seinen zahlreichen Freunden und Verehrern hiemit geziemend zur Kenntnis bringe. Warum diese Mitteilung gerade im Kreise meiner Amtsgenossen maßlosen Jubel auslöste, blieb mir nicht lange verborgen. Wiborschals phantastische Deko¬ rierung war nämlich auf den Einfall einiger Spaßvögel unter uns zurückzuführen, die damit das Maß eines menschlich erträglichen Witzes allerdings weit über¬ schritten. Es stand zu jener Zeit nämlich eine eigentümliche Art von Manschetten¬ knöpfen in Gebrauch, die auf rotem Emailgrund einen aufgeregt flatternden Reichsadler zeigten und die besonders in militärischen Kreisen starken Anklang fanden. Einer von diesen Knöpfen schien unseren Spaßvögeln, wenn wir sie so nennen wollen, für einen repräsentativen Orden gar nicht übel geeignet, und sie ließen vom Institutsmechaniker um den bedeutungsvollen Kern noch eine schöne sternförmige Verzierung aus Silberdraht anfertigen, so daß das ganze wahrhaftig einem gewichtig strahlenden hohen Orden glich, bei dessen Anblick das Herz jedes guten Staatsbürgers in Ehrfurcht leise erschauern mußte. Ein grünes Seidenband war bald zur Stelle, denn der Orden war um den Hals zu tragen, vom Etui¬ macher war ein schönes Futteral aus Leder auch bald geliefert und die standes¬ 42
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