Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1958

der Bürgermeister= und Richterwahl; Schwäger, Vettern, Eidam, Schwiegerväter etc. dürfen nicht gleichzeitig bei der Gemeinde angestellt werden.. ., die Liste seiner Beschwerden war von beachtlicher Länge, die Antwort der Stadtväter dementspre¬ chend. Sie ersparten ihm nicht den Vorwurf, daß er mit seinen Freunden beim Wein sitze und krakeele, während sie auf dem Rathaus ihre Kräfte dem Wohle der — Stadt opferten und es folgte auch sofort die Liste der erfolgreich durchgeführten Stadtgeschäfte. Von nun an gab es einige Jahre lang vor jeder Bürgermeisterwahl ein für die zuschauenden Bürger sicherlich ganz interessantes Tauziehen: Prandtstetter gegen Rathaus, in dem dieser klar der Schwächere war. Der Freundeskreis um ihn wurde immer schütterer, die nach Steyr entsandten kaiserl. Wahlkommissarien immer schärfer und das Revolutionieren immer riskanter. Sicherlich trieb auch die dikta¬ torische Art Prandtstetters manchen seiner Anhänger in die Arme der Stadtväter zurück, mit der Überzeugung im Herzen, daß sicher nichts Besseres nachkäme. Am Schluß der Prandtstetter=Artikel hieß es nämlich stets: „Wer sich diesen Artikeln nicht anschließt, der solle bestraft werden, weil er dem gemeinen Nutzen zuwider und dem Landesfürsten dadurch untreu sei“. So waren es denn nur mehr 35 Bür¬ ger, die im Jahre 1511 die Artikel unterschrieben, die bei der Verhandlung im Schloß, welche kaiserliche Kommissäre zur Klärung der Angelegenheit durchführten, verlesen wurden. Punkt für Punkt widerlegten die Stadtväter alle gegen sie er¬ hobenen Anschuldigungen, der Sieg war eindeutig auf ihrer Seite. Wer jemals mit revolutionären Ideen geliebäugelt hatte, dankte Gott, daß er sich noch recht¬ zeitig beherrscht hatte. So galt die Abrechnung bei der Urteilsverkündung nur den 35 letzten Getreuen Prandtstetters. Die meisten von ihnen kamen mit einer Geldbuße davon, der Anführer aber und neun seiner tüchtigsten Mitstreiter wurden gefangengenommen, in Eisen gelegt, auf einen Wagen verladen und zuerst nach Linz zum Landeshauptmann, dann aber weiter nach Wien in sicheren Gewahrsam geführt. Hans Scheubl, der beste Freund Prandtstetters, welchem, wie Preuenhuber sagt: „bey Zeiten der Hund vorm Licht umgangen“, simulierte vor dem letzten Verhör eine Krankheit, floh zu den Domi¬ nikanern und entwischte dem strafenden Arm der Gerechtigkeit in Richtung Bud¬ weis. Dasselbe gelang auch Georg Grammatschmidt, der sich mit Scheubl und spä¬ ter, nach dessen Freilassung, auch mit Prandtstetter in Böhmen traf Nach einem Jahr, zu Ostern 1512, wurden die Gefangenen aus den Wiener Gefängnissen entlassen, nachdem sie Urfehde geschworen hatten. (Die Urkunden sind erhalten und befinden sich im Archiv der Stadt Steyr.) Alle kehrten nach Steyr zurück, nur Prandtstetter nicht, der aus dem Lande ob der Enns ausgewiesen worden war. Ganz sicher fühlte sich der Rat der Stadt Steyr aber noch immer nicht, denn als einige der Zurückgekehrten sich beim Weine ihrer Unschuld rühmten, besorgte man gleich einen neuerlichen Aufruhr und bat das „Regiment“, den Landeshaupt¬ mann, um Hilfe. Der Rat wurde aber umgehend mit dem Hinweis getröstet, daß Prandtstetter Urfehde geschworen habe, ausgewiesen und nach Böhmen abmarschiert sei, daß die neun andern aller Amter entsetzt seien und weder eine Handwerks= noch andere Versammlung besuchen dürften, „.. in welcher Unehr sie also ihre übrigen Tage auf der Welt beschlüssen müssen“ War nun endlich Ruhe? Nicht ganz, denn das Steyrer „Brief=Gewölb“ des Rathauses beherbergt noch einige Briefe, in denen vom Verkauf der Güter Prandtstetters die Rede ist und sogar die kaiserliche Kanzlei setzte sich dafür ein, daß die Stadt sich um diesen Verkauf kümmere oder selbst sie dem verbannten Besitzer ablöse, womit sich die Stadt allerdings Zeit ließ Auch sollte dafür gesorgt werden, daß die Familie des Verbannten keinerlei Schi¬ kane ausgesetzt sei. Im Jahre 1513 gelang es dann Prandtstetter, sich die Gunst eines böhmischen Adeligen zu erwerben, Herrn Wilhelm von Riesenberg und Schwihoir, der sich für ihn einsetzte. Es rührte die Steyrer wenig, sie hatten wohl den Eindruck, Belehrungen über die Unschuld des Landesverwiesenen nicht nötig zu haben. Da sandte ihnen dieser wutentbrannt einen offenen Absagebrief auf 95

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