Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

Die Schüsse klingen lächerlich dünn, wie aus einer kleinen Kinderpistole. Die Mönche vorne kümmern sich keineswegs um die Soldaten. Der Gottesdienst geht ungestört weiter. Leichter Geruch von Weihrauch erfüllt nun den Raum. Die Landser stehen fassungslos vor den Erscheinungen. Bleiche Furcht erfaßt sie. Auch der Ober¬ leutnant erstarrt vor Schreck. Und die Glocken klingen laut und dumpf weiter... Da hören sie alle auf einmal wüstes Geschrei, Lärm, Stöhnen... Vorne am Altar scheint ein wilder Kampf zu wogen. Andere dunkle Gestalten sind plötzlich zwischen den Mönchen. Gebete, Rufe hallen in der Kapelle wider. Der Nebel wird immer dichter ... Die Soldaten fürchten sich nun. Hektisch umklammernsie die Waffen. Dann schlägt plötzlich die Uhr am Turm noch einen einzigen schweren Ton: Ein Uhr! Das Getümmel vorne am Altar löst sich in einNichts auf, der Gesang und das Läuten verstummen plötzlich . . . Nun ist es vollkommen ruhig. Durch das offene Fenster der Kapelle leuchtet still und bleich das Lichtdes Mondes. Als wir am Morgen das Kloster genau durchsuchten, stellten wir fest, daß der Turm weder Uhr noch Glocken trägt. Nur vorne am Altarsahen wir die Einschüsse aus der Maschinenpistole des Oberleutnants. Der alte russische Förster erzählte uns dann, daß hier in den Wirren der Revolution des Jahres 1917 eines Nachts wäh¬ rend eines seierlichen Gottesdienstes das Kloster ausgeraubt und die Mönche nieder¬ gemetzelt wurden. Und jedes Jahr an jenem Tag erscheinen sie alle nach Mitter¬ nacht und halten ihren Gottesdienst ... Merkwürdigerweise hatten die Posten draußen nichts gehört. Unsere Kolonne war beim Rückmarsch als Nachhut eingeteilt. Nach Durchquerung einer Wald¬ lichtung wurden wir aus dem Hinterhalt von einer Partisanengruppe beschossen. Wir konnten den Angriff rasch abwehren und hatten keine Verwundeten. Nur einen einzigen Toten — unseren Oberleutnant.... HANS KLOEDFER Kodenr Dahin führt ein langer Weg, durchs Leben zurück, durch laute Tage und Nächte voll Lust und Sorge und mündet vier Wochen vor Weihnachten. Fast wie im Mär¬ chen. „Rorate“ steht am Eingang. Das tönt rostig knarrend, wie befehlend — in lateinischer Zunge. Aber „Tauet Himmel den Gerechten“ das klingt gelinde, und wie im leichten Flockenfallen sinkt das alte Weihnachtslied herab auf den dunklen Wintermorgen und schwebt traulich über der erwachenden Arbeit im Dorfe wie schwingender Glockenklang über behaglichem Frühstücksduft. Was war das vor vielen, vielen Jahren für eine geheimnisvolle Zeit gewesen. Schon beim ersten Erwachen, wenn das knitternde Feuer im Ofen sein Flackerlicht warf über die dunkle Stube. Welch behagliches Nachträumen im warmen Bette von kommenden Weihnachtsfreuden! Dann ging es rasch in die Kleider und hin¬ unter über die finstere Stiege, vorbei an der alten Küche, aus der das Herdfeuer glühte, hinaus ins Freie. Noch stand der Mond am Himmel in der sternklaren Winternacht. Und im ergrauenden Morgen, der geheimnisvoll war schon wegen der ungewohnten Stunde, trug die Luft mancherlei Gerüche zu, aus Nachbars Küche und von Nagelschmieds Werkstatt herüber, der in aller Herrgottsfrühe schon klingend hämmerte, dann wieder frische Schneeluft vom fernen Gebirge. Ein mächtiger Kobelwagen knarrte die Straße herunter, vierspännig. Der Fuhrmann im blauen 81

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