Chor= und Quartettsänger mit sehr gutem Musikgehör. Obwohl er kein Instrument erlernte, spielte er dennoch vierhändig Klavier. Mit zwei Händen halbwegs richtig, dann wieder mit zwei Händen halbwegs falsch! Er konnte als Kunstpfeifer alle Vogelstimmen nachahmen und wie ein Kanarienvogel rollen und trillern und mit dem Munde eine Trompete wunderschön imitieren. Außerdem hatte er durch einen Unfall drei Viertel des linken Mittelfingers verloren; den restlichen Stummel hielt er des öfteren in ein Nasenloch, sodaß dies bei Unwissenden den Eindruck erweckte, er rühre mit der Fingerspitze im Großhirn herum, was unbedingt einer Höchst¬ leistung im Nasenbohren gleichkäme. Da er in seiner Jugend Ministrantenbub war, konnte er bei Trinkgelagen die vorletzte Stufe seiner Nüchternheit dadurch regel¬ mäßig avisieren, daß er nur noch lateinisch sprach. Wie man sieht, ein feiner Kerl, den man ob seiner Vielseitigkeit gerne zu Gesellschaften einlud. Nun aber zur Sache! Herr Kommerzienrat N. lud auch diesmal wieder das Doppelquartett des Ge¬ sangvereines, dessen Ehrenmitglied er war, ein, am Vorabend des Namenstages seiner Frau ein Ständchen zu singen. Alle Beteiligten freuten sich jedesmal schon lange zuvor auf dieses intime Fa¬ milienfest. Frau Lisbeth, schon etwas kränklich, vermied große Gesellschaften, hörte guten Chorgesang sehr gerne, hatte Sinn für Humor und war durchaus keine Spa߬ verderberin. Wenn geistreich geblödelt wurde und man sich gegenseitig humorvoll anzwickte, da machte sie schlagfertig mit. Und da die Sänger im Singen, Blödeln und Häkerln wahrhafte Meister waren, verlief dieses festliche Beisammensein im¬ mer äußerst lustig und gemütlich. Pünktlich zur festgesetzten Stunde nahmen die Sänger in der geräumigen Vorhalle der kommerzienrätlichen Villa Aufstellung und S brachten der verehrten gnädigen Frau klangvoll und harmonisch ihre Namenstags¬ wünsche dar. Frau Lisbeth dankte sichtlich erfreut über die Ehrung und bat die Sangesbrüder, für diesen Abend ihre Gäste zu sein. Sie ersuchte ihren Gemahl, die Herren in die Pergola im Garten zu führen, da es jammerschade wäre, diese schöne Sommernacht in den Wohnräumen zu verbringen. So begab sich denn die Freundesschar zur Pergola, einem wunderschönen Plätzchen, das sie sinnvoll „Elisabeth=Ruhe“ tauften, wo man niemand störte und von niemandem gestört wurde. Es lag inmitten des großen Gartens, der längsseitig 69
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