„Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt LEOPOLD STEINBRECHER (Shakespeare, Hamlet I, 5) Der menschliche Erfindergeist hat vieles schon erreicht, indem er die Naturkraft ausnützte und dienstbar machte. Aber die Kräfte aus der Welt zu schaffen hat noch niemand zuwege gebracht. Diese sind einmal da und damit basta! Zum Beispiel: Wer kann verhindern, daß das Wasser, wenn es zu Eis friert, die stärksten Felsen — ein feuer¬ sprengt?! Ein Wassertropfen den Granitblock! — Niemand. Oder speiender Berg, ein Vulkan, kündet durch mächtigen Auspuff von Gasen und unter¬ irdisches Rollen, Donnern und Rumoren den baldigen Ausbruch an. Wer kann das verhindern? Da gibt es nur eines: Vorkehrungen treffen, daß man dabei nicht zu Schaden kommt. Oder: eine Kuh ist auf der Weide, sie frißt und düngt zugleich die Wiese, ein sie Ausgleich, die Harmonie in der Natur, in der nichts verloren geht. Je mehr frißt, desto reichlicher der Dung usw. Wenn wir nun die natürlichen Ereignisse bei dem Vulkane und dem Rindvieh kombinieren, so kommen wir, bildlich gesprochen, jenen Erscheinungen schon näher, die eintreten, wenn man zuviel von der Landes¬ säure, dem Most, konsumiert. Die Folgen dieses Konsumes sind nicht zu verhindern; auch da gibt es nur eines: — rechtzeitig vorbeugen, sonst geht es in die ..... Was heißt vorbeugen? Kniebeugen muß man zeitgerecht, so ist's richtig. ... Ich hoffe, daß es mir durch diese naturwissenschaftliche Betrachtung gelungen ist, ganz zart, durch die Blume, anzudeuten, was auszusprechen in jeder wohlerzogenen Ge¬ sellschaft verpönt ist. Warum ich dies alles erzähle? Warum? Na, weil mein lieber Freund Felix den Most so gerne trinkt, weil bei fortdauerndem Alkoholgenuß sich das Reagenz¬ vermögen eines Individuums progressiv reduziert und weil dann, proportional zu dem eruptiven Drange in den Gedärmen, das Gefahrenmoment zunimmt. (Man muß bei diesem Tatsachenberichte auch einige Fremdwörter verwenden, sonst glaubt man nicht, daß er auf wissenschaftlichen Beobachtungen fußt.) Freund Felix ist es schon des öfteren passiert, daß er das Intervall zwischen dem ersten mahnenden innerlichen Rumoren und Brodeln und dem sicher bevorstehenden eruptiven Aus¬ bruch zu groß bemessen hatte; die vorbeugende Kniebeuge setzte zu spät oder gar nicht ein und der Weg der Lava ins freie Gelände (sagen wir lieber Lava dazu, das klingt schöner), also der Weg ins Freie wurde durch Unterwäsche und Bein¬ kleider versperrt und behindert. Eine nette Bescherung! Derartige elementare Kata¬ Am strophen hatten bei Felix stets eine nachhaltige moralische Depression zur Folge. ein meisten bedauerte er, und es war ihm wirklich peinlich, daß seine liebe Julia, vor¬ gar braves Frauchen, an ihm und den Kleidern die unrituellen Waschungen Und nehmen mußte, denn er selbst war ja in gegebener Situation absolut hilflos. mit sollte auch der von Frau Julias Hand geführte nasse Fetzen des öfteren Schwung an den falschen, den unbefleckten Backen aufklatschen, es ist recht so, ihm gebührt noch viel Argeres, er duldete alles resigniert. Nicht deshalb, weil er durch den vielen Alkohol wehrlos wurde, sondern weil tiese Reue und schweres Schuld¬ bewußtsein ihn zerknirschten und so duldsam machten. Tags darauf, wenn er wie¬ der nüchtern war, machte er sich selbst die größten Vorwürfe und schämte sich zu¬ tiefst. Seine guten Vorsätze waren so ernst, daß allmählich eine spürbare Besserung eintrat und schon lange kein Rückfall vorkam. Felix hatte aber noch viele andere schöne Eigenschaften und Tugenden. Vor allem war er ein blendender Gesellschafter, in jeder Phase gutmütig, ein vorzüglicher 68
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2