Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

einem Dutzend unserer eigenen Soldaten; sie trugen weiße Kappenbinden und mar¬ kierten das von uns anzugreifende Regiment. Wir andern hatten, so lautete die Parole, an den Gegner gedeckt heranzukommen, ihn nach Möglichkeit zu umfassen, zu zersprengen, gefangen zu nehmen oder aufzureiben. Ich hatte meine Stellung in Ruhe auf einem kahlen Hügelchen bezogen, von dem ich weit ins wellige Land und auch auf einen glitzernden Streif des Meeres hinaussehen konnte. Die Sonne war eben im Untergehen, überwältigend groß. Ströme von Gold und Ocker übergossen weithin das dürftige Steinland, daß es aufglühte wie ein Traum. Ich lag auf der Kuppe, meinen Leuten voran, durch ein kleines Wacholdergebüsch vor dem Feinde gedeckt. Nach einiger Zeit besinnlichen Schauens vernahm ich unweit von mir ein knackendes Geräusch, es kam aus einer zu Füßen meines Hügels befindlichen Do¬ line, dort hatte sich dichteres Brombeergesträuch festgesetzt, es war wie geschaffen, den Feind zu verbergen. Doch nein, was da plötzlich als graues Gespenst aus dem Gebüsch gesprungen mit beiden Vorderbeinen zugleich, im Bocksprung sozusagen, das war nicht der kam, Feind, das war mein Freund Terribile! Er sprang uns gerade entgegen, der Kuppe meines Hügels zu, die noch im vollen Abendlicht stand. Disteln, Gras und saftiges Moos, sie schienen ihn nicht mehr zu kümmern, es schien ihm nur um das Licht zu gehen, er strebte zur Abend¬ sonne. Er war ein Bild des Jammers und einer tragisch=phantastischen Größe zu¬ gleich, wie er da, als etwas durchaus Elementares, Naturgewolltes, heraufgesprun¬ gen kam in unseren klugerwogenen Aufmarsch, in die taktische Stille unserer Flan¬ kendeckung. Wir starrten ihn maßlos verwundert an und wußten uns keinen Rat. Indessen hatte Terribile bereits mit den letzten verzweifelten Sprüngen die Kuppe des Hügels erreicht, er war nur noch wenige Schritte von uns entfernt, da reckte er sich plötzlich hoch, schien ins Fabelhafte zu wachsen in der Blendung des Horizonts, hob das Haupt mit den dunkel flammenden Ohren und ließ wie ein Trompeter Gottes seine Stimme weithin und schrecklich ertönen: „J=al J=a! J=al und so fort ohne Ende. Er ging durch Mark und Bein, dieser Sonnengesang Terribiles. Es war das keine Eselsstimme, es war nicht bloßer Naturlaut mehr, es war verzweifelter Ur¬ aufschrei der daseinsgequälten und wahnsinnsempörten, vielleicht auch schon im Wahnsinn erlösten Kreatur. Abrechnung hielt sie mit dem Schöpfer allen Seins, im Namen allen Leides auf Erden, verstörte Berufung einlegend mit der letzten aufgellenden Frage: Warums So wenigstens glaubte ich es zu verstehen, dessen Seele dem Tiere plötzlich entgegenschrie: Hoho, Terribile, wie wahr, wie furchtbar wahr ist, was du singst! 57

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