Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1957

Erstaunlich, ja erschrecklich war die Last, die man dem armen Terribile auf¬ gebürdet. Wenn ich mich recht entsinne, erblickte ich da: zwei Milcheimer ge¬ waltigen Umfanges, zwei Käfige voll Hühner, einen Sack mit Kukurnz, zwei kleinere Säcke mit Puina, dem landesüblichen Topfen, zwei riesige Brennholzbündel, fasci genannt, und schließlich, zur Rechten und Linken hübsch im Gleichgewicht ver¬ teilt, je eine mächtige Wasserbutte, zur Stunde noch leer, bestimmt zur Füllung für die Heimkehr in das wasserarme Dorf. Die Bumbara selbst aber saß, dem Landes¬ brauche gemäß, rückwärts auf der Gruppe des kriegselefantenmäßig befrachteten Tieres, man wunderte sich nur, daß sie dabei nicht herabsiel. Der Anblick Terribiles selbst bleibt mir für immer unvergeßlich. Jeder Muskel seines schrecklich abgemagerten Körpers war bis zur Verzweiflung gespannt, die dünnen Beine bogen sich wie säbelförmig unter der ungeheuren Last, die Ohren hingen ihm schlaff herab, die Zunge bleckte ihm aus dem Maule, aus seinen Augen schrie das Leid der Kreatur. Dazu kam aber noch, daß ich wußte, Terribile verrichte seine furchtbare Arbeit so gut wie umsonst. Kam er im glühenden Mittagsbrande heim, so band man ihm wie es hierzulande üblich war, die Vorderfüße mit einer Achterfessel aus Stroh zusammen und schickte ihn hierauf mit einem Tritt in die Landschaft hinaus und mit dem frommen Wunsche bono appetito, was sagen sollte: spring auf die Weide hinaus, Terribile, und suche, was du finden kannst an Gräsern, Krautwerk und saftigen Disteln und laß es dir herrlich munden! Und Terribile sprang und suchte und knabberte den dürftigen Boden ab und hielt damit in Demut aufrecht, was an ihm noch lebendig war. Wir Soldaten nahmen es beim Ausmarsch mit der Minute genau, nicht minder pünktlich aber war die Bumbara. Es gibt eine aufwärtssteigende Strecke auf der Straße nach Galesano, da sahen wir Terribile immer schon von weitem herab¬ kommen, überthront von seiner Herrin, der Bumbara. Sie hieb mit dem Stecken im Takt des Trabes auf ihn ein und ihr Lachen war von verblüffender Urkraft. Sie war ein auffallend hübsches, aufgeräumtes Frauenzimmer, diese kleine Bäuerin und zwar nicht nur nach rustikalen Begriffen. Wenn die Sage von der altrömischen Abstammung stimmte, so paßte sie vor allem auf sie. Es war trotz aller Bäuerlich¬ keit etwas Edelgestrenges, gemmenhaft Geschnittenes in ihrem nußbrauen Gesicht¬ chen und sie schien, was nicht weiter verwunderlich war, um ihre Wirkung auch zu wissen. Ritt sie an uns Soldaten vorbei, so versäumte sie niemals zu lachen und sich ihre prachtvollen Zähne zu zeigen, und meine Leute lachten zurück und freuten des Gegenständlichen. Ein einziger tat dabei nicht mit, das war mein Chef, der Hauptmann. Er schien die tägliche Begegnung eher störend als vergnüglich zu empfinden. Ich nahm das als ein Zeichen der schlechten Laune, die ihn schon seit längerem beherrschte. Es ging im Regimente die Kunde, er lebte nicht glücklich mit seiner Frau. Er war ein Schlesier, ein ernster, etwas pedantischer, zur Melancholie geneigter Mann. Er hatte im Vorjahre, zu unser aller Verwunderung, eine blutjunge Tochter des Lan¬ des, eine schöne, schwarzhaarige Istrianerin geheiratet, eine Gutsbesitzerstochter aus dem Städtchen Dignano, dem Nachbarorte Galesanos. Ich kannte die Frau Haupt¬ mann natürlich persönlich, wie alle Damen des Regiments. Die Bodenständigkeit ihrer Rasse verleugnete sie nicht, sie hatte sogar eine auffallende Ahnlichkeit mit der Bumbara, der wir da täglich begegneten. Sie hatte das gleiche südliche Lachen, den gleichen sieghaft betonten Blick. Man erzählte sich, und ich hatte es selbst bereits wahrgenommen, daß die Frau Hauptmann ihren Mann tyrannisiere, ihn sogar vor anderen Leuten unfreundlich behandle, was ihr von seiten der Offiziere besonders übel genommen wurde. Man zog sich daher gesellschaftlich von ihr zurück, so weit das in der notgedrungenen Familie des Regiments eben möglich war. Als sie das merkte, hielt sie sich mehr an die unbefangenen Kreise der Kriegsmarine, und da sie schön war, rassig und elegant, fehlte es ihr dort nicht an Verehrern. Man wußte 55

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