Mein Freund Terr ile Eine Tiergeschichte von Franz Karl Ginzkey Wir trafen uns täglich am frühen Morgen, mein Freund Terribile und ich, und täglich kam er meinem Herzen näher. Ich war damals Leutnant in Pola und marschierte mit meiner Kompagnie jeden Morgen zu den Übungen ins Gelände hinaus. Terribile kam in die Stadt herein, aus dem etwa eine halbe Meile von Pola entfernten Dorfe Galesano. Es machte ihm Mühe, hereinzukommen, mir machte es Mühe, hinauszuziehen. Auf mir lastete ein damals noch nicht ganz er¬ faßter Militarismus, auf ihm aber saß eine Herrin, die Bumbara. Die Bumbari die Betonung liegt auf der ersten Silbe, nennen sich die Bauern romanischen Stam¬ mes in jener Gegend. Sie sind seit gut zweitausend Jahren auf ihrem steinigen Boden seßhaft, leiten ihre Abstammung von den römischen Kolonisten her, fühlen sich als Enkel Roms und sind darauf unbändig stolz. Ihre bescheidenen Häuser S S lassen sie ohne Mörtelanwurf, so daß sie wie ewig unvollendet aussehen. Im üb¬ rigen aber ist die Dürftigkeit nicht in allem ihr Teil. Ihre Frauen kleiden sich statt¬ lich, sie tragen, auch an Werktagen, breitrandige Hüte aus schwarzem Filz, ein schwer mit Silber behängtes Samtmieder und unter dem farbig gesäumten Kittel treiben sie geradezu Dämonisches mit einem Dutzend gesteifter Unterröcke. Schreiten sie auf zierlichen, weißbestrumpften Füßchen daher, so sind sie von der Flut dieser Unterröcke umweht wie vom Rhythmus von etwas Sieghaftem, Unabwendbarem, doch sieht man sie im allgemeinen selten zu Fuß. Sie pflegen besonders auf weitere Strecken, stets auf ihrem Haustier, einem Esel, zu reiten. Und ein solcher war mein Freund Terribile. Seinen seltsamen Namen verdankte er einem Fluch seiner Herrin, den ich zu¬ fällig erlauschte, als sie an mir vorüberritt. Sie hieb gerade mit einem dornigen Stecken im Takt des Trabes auf ihn ein und schrie dazu ununterbrochen: „Avanti, avanti, bestia terribile!“ Sie ließ dazu die weißen Zähne blitzen und lachte. Lachte ein wohlgerundetes, grausames Frauenlachen. 54
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