80 Wir gehen, die Fäuste fest an die Kolben gepreßt, zwischen den Gräberreihen vor. Nichts mehr ist zu sehen. Wo ist der Mensch hingekommen? Weiter vorne, zwi¬ schen Mauerresten, glotzen uns die brennenden Augen einer Eule durch die Dunkel¬ heit an... Langsam bricht der Morgen an. Ein durchsichtiges Grau fällt über das Ge¬ lände herein. In der Ferne grollt immer noch der Donner. Nein, halt, das ist kein Donner mehr, ein immer stärker werdendes dumpfes Rollen kriecht heran. Plötzlich wird es uns klar: Deutsche Panzer! Ich funke sofort an das Regiment, das weit unten bei dem Dorfe Bras liegt, bekomme aber keine Antwort mehr. Sie mußten nachts weiter nördlich durchge¬ brochen sein. Gerade als es hell wird und die ersten schüchternen Sonnenstrahlen über das Fort Faux heraufsteigen, kriechen schon die deutschen Panzer und motori¬ sierten Verbände hinter dem Ehrenmal hervor. Wir müssen erkennen, daß die zweite Kompanie des 131. Linienregimentes verloren ist. Nach kurzem, verzweifeltem Kampf müssen wir uns ergeben. Unten an der Straße bei Bras lagern schon die anderen Einheiten des Regi¬ ments. Der deutsche Panzeroberleutnant übergibt unsere gefangene Kompanie sei¬ nem Kommandeur, einem Hauptmann von Zühlstorf vom sechsten Panzerregiment. So hieß der Offizier, wie ich später erfuhr. Als wir dem deutschen Hauptmann, der sich kurz vor mir verbeugte, in das Gesicht blicken, erstarren wir vor Schreck. „Mon Dieu!“ flüstert mein Sergeant neben mir, auch ich erkenne plötzlich das Seltsame: Der Hauptmann von Zühlstorf ist der Mann, der uns heute Nacht oben am Douaumont zwischen den Gräbern erschienen ist! Dasselbe Gesicht mit der brei¬ ten Narbe, den großen, fragenden Augen, das Eiserne Kreuz an der Brust ...! „Mon vieux ami“ sagte Dr. Laurent zu mir, „Du weißt, daß ich in keiner Weise auf derartige Dinge etwas halte, aber ich weiß und auch mein ehemaliger Sergeant bestätigt es noch heute, daß die Erscheinung am Douaumont und der deutsche Hauptmann ein und dieselbe Person waren.. 7 Schon während der Erzählung meines Freundes war ich aufmerksam gewor¬ den. Die Beschreibung der geheimnisvollen Gestalt ließ mich aufhorchen. Haupt¬ mann von Zühlstorf dachte ich . .. Ich war doch nach dem Waffenstillstand dem echsten Panzerregiment zugeteilt worden. Unser Kommandeur war ein Major von Zühlstorf gewesen. Ein stiller, verschlossener Mensch mit einer breiten Narbe über der rechten Wange... Nach einer Verwundung aus dem Ersten Weltkrieg noch und großen, fragenden Augen. Plötzlich erinnerte ich mich. Er starb einige Monate spä¬ ter durch einen ganz seltsamen Zufall. „Maurice“, sagte ich zu meinem Freund, „ich erinnere mich genau an eine Kriegstagebucheintragung beim sechsten Panzerregiment, die lautete: „Der hochausgezeichnete Kommandeur der zweiten Abteilung unseres Regimentes, Major v. Zühlstorf, verunglückte am 13. Dezember 1940 an¬ läßlich eines Besuches der Ehrenmale am Douaumont durch die Explosion einer noch aus dem ersten Weltkrieg stammenden Mine tödlich .. Dr. Laurent war, während ich dies sagte, bleich geworden. Wir sprachen lange Minuten kein Wort. „Seltsam ist unser Leben und unergründlich sein Sinn. . .“ sagte Dr. Lau¬ rent leise. Wir hoben unsere Gläser mit dem hellen Wein und gedachten still des selt¬ samen Toten ... WIR STEHEN IM TRAUERFALL MIT RAT UND HILFE ZUR VERFUGUNG! STADT. BESTATTUNG, STEYR, KIRCHENG. 1, Tel. 23 71, Nachtruf 270 85.
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