Schrecklich, wenn zuzeiten gar nichts gelingen will! Die Worte sterben einem vor dem Munde ab. Und wiederum geschieht es ein andermal, daß man etwas ganz Neues wagt, und dann zündet der Funke plötzlich, man fühlt beglückt, wie das widerstrebende Wesen unten erwacht und näher kommt und zutraulich wird dann ist es ja doch wieder ein einzelner Mensch, den man im Herzen bewegen und heiter oder trübe stimmen kann. Erschöpft hält man schließlich inne, ein wenig ernüchtert und beschämt und traurig, ja, traurig auch. Nun wäre es gut, irgendwo bei einem würdigen Glas Wein zu sitzen, allein mit einem verträglichen Mädchen, das sich erklären ließe, warum man traurig sein muß. Denn es ist doch alles nur Trug und Gaukelei ge¬ wesen, das Wort, das einfache Wort, vor dem alle Mauern fielen und alle Tore aufsprängen, ist wieder ungesagt geblieben. Und es wäre doch überall abzulesen. Gott hat es mit seinem gewaltigen Finger an den Himmel und über die Erde hin geschrieben. Aber in welcher Sprache schreibt Gott? Ach, im Grunde ist es ja lächerlich; jeder möchte die Welt verbessern, undselt¬ sam genug, jeder könnte es auch, wenn er nur bei sich selber anfangen wollte. SIEGFRIED WETR DDas Scate DER VOLLENDETEN Wie Gras auf dem Felde sind Menschen. Dahin wie Blätter! Nur wenige Tage gehen wir verkleidet einher. Der Adler besucht die Erde, doch säumt nicht, schüttelt vom Flügel den Staub und kehrt zur Sonne zurück! Diese Verse von Matthias Claudius sind ein gutes Wort über die menschliche Vergänglichkeit, deren zu gedenken jetzt die richtige Zeit ist. Und das letzte Abbild des entfliehenden Lebens, die Totenmaske, enthüllt in einer ebenso sanften wie me¬ lancholischen Weise das Rätselhafte des Überganges Man muß in den Totenmasken zu lesen verstehen. Darf sich nicht am müden Ausdruck des Verfalls schrecken, muß vielmehr der Enthüllung folgen, die die Linien und Züge, die Schatten und Lichter der Maske erzählen. In jener lautlosen und so eindringlichen Sprache erzählen, die endgültig und abschließend ist. Freilich kommt es darauf an, wann die Totenmaske abgenommen wurde. Ob zwei oder drei Stunden nach dem Tode oder vierundzwanzig. Im ersteren Fall bleibt der Ausdruck gesammelt, getröstet, erlöst. In letzterem hat der physischeVer¬ fall sich bereits derart verstärkt, daß das Individuelle sich verwischt und der Tod an sich spricht. Das Persönliche beginnt zu verschwinden, und an seine Stelle tritt ein irgendwie gewaltiges Schema, wie es in auffallender Weise bei der Toten¬ maske Napoleons der Fall ist. Die Abnahme der Maske soll nicht das Abformen eines starren Körpers sein. Ein Künstler, ein Bildhauer, schafft ja hier die Wiedergabe des allmählich erst in der Form verdämmernden Lebens. Deshalb soll der Bildhauer bald nach dem Tode erscheinen, um das Lächeln des Erlösten auf dem Antlitz noch zu erfassen. Lächelt doch die Mehrzahl der Hingeschiedenen ein ätherisches, rätselhaftes Lächeln. Das Handwerkliche erfordert nur einige wenige Griffe. Die behaarten Stellen werden mit dünn aufgelöstem Modellierton oder auch mit Öl überpinselt, damit der aufzugießende Gips nicht festhaftet. Da die Haut selbst genügend Fett enthält, 56
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2