einbrach. Sie bannten draußen wahrscheinlich ein Unheil, eine Tierkrankheit war gekommen oder war im Anzug. Er versuchte zu beten, aber seine Gedanken verwirrten sich, er mußte immer an die elende Seuche denken. Es schmerzte ihn, daß er seinen Leuten nicht beistehen durfte; er wußte sich als Sterbender ausgeschlossen aus der Familie. Sie konnten freilich nicht bei ihm wachen, während draußen das Vieh verkam; doch er mußte wenigstens wissen, was sich begeben hatte; es litt ihn nicht auf dem Bette. Langsam und ungeheuer müh¬ am rutschte er herunter, es wurde ihm schwarz vor den Augen. Dann tastete er längs der Mauer dahin bis zur Tür. Als er sie öffnete, stand davor der Enkel, elber schon ein Mann, der die Magd in den Armen hielt. Jedes von ihnen trug in der einen Hand einen Holzeimer, wahrscheinlich waren sie in das Haus ge¬ kommen, um heißes Wasser zu holen. Der Großvater sah sie starren Auges an und verstand ihren kurzen Aufenthalt im Flure wohl; es war ihnen, als hätte er genickt. Ehe er aber noch eine Frage tun konnte, fiel er in der Tür um, wie ein Baum des Waldes umsinkt. Das erschreckte Paar trug ihn auf sein Bett, und dort drückten sie ihm die halb offenen Augen zu. Dann brachte der Sohn den Leuten im Stalle die trüb¬ selige Botschaft. * Was der Großvater, der nun tot da drinnen lag, in den letzten Augenblicken seines Lebens gesehen hatte, war nur ein halbes Geheimnis der beiden Menschen; denn die übrigen ahnten es alle, und jeder zürnte dem Paare auf seine Weise. Der Vater wollte den Sohn im Frühjahr auf Brautschau ausschicken, die Mutter aber war die Mutter, noch keine hat sich im letzten Herzwinkel gefreut, wenn ihr der Sohn von einer fremden Frau genommen wurde; der Schwester hatte Bitternis das Herz verhärtet und sie zankte häufig mit der Magd, der junge Knecht aber wollte etwas, was nach seiner Meinung ihm gebührte, nicht dem Herrn über¬ lassen. So war das Paar von lauernden Menschen umgeben, und sie mußten sich vor ihnen hüten und ihr Herz verbergen. Sie gingen stumm aneinander vorüber, weil immer wieder ein Auge durch eine Lücke oder ein Fenster nach ihnen spähen konnte; wie die andern hielten sie beim Mahle die Augen in die Schüssel gesenkt, die in der Mitte des Tisches stand. Sie redeten wenig miteinander, aber sie suchten heimliche Gelegenheiten, um einige Augenblicke gemeinsam zu haben. Wenn sie sich zufällig am Brunnen trafen oder sich auf einem der kurzen Wege begegneten, den alle Hausleute vom Haus zu Stall und Tenne ausgeschaufelt hat¬ ten und auch jetzt beinahe stündlich von dem neuen Schnee befreiten, dann ver¬ harrten sie keinen Augenblick länger, als es unbedingt notwendig war. Doch es gab manche Zeiten am Tage, so dachten sie anfangs, da sie an ge¬ wissen Orten unbemerkt beisammen sein konnten. Etwa am frühen Morgen in der Küche, wenn die Magd die Milch abkochte; aber da kam bald die Mutter, und der Sohn mußte tun, als habe er Holz zum gemauerten Herd gebracht. Dann beim Melken, aber der Vater ließ sich auch schon im Stalle vernehmen, und der Sohn mußte sich in einem dunklen, feuchten Winkel verstecken. Auf der Tenne hatte er sich einmal in das Heu verkrochen, und ein anderes Mal war er in den hohen Schnee hinabgesprungen; er hatte Stimme und Schritte des Knechtes gehört. Nicht zu reden von der Schwester, die war die ärgste. Ein Bräutigam hatte sie verlassen, nun neidete sie jedem Weibsbild den Mann. Und der Schnee hielt sie alle auf dem Hofe gefangen, es gab keinen Weg, auf dem man sich hätte ein wenig entfernen können, irgendwohin. Immer noch sielen die Flocken, der Himmel war grau, und es regte sich keine Luft. * 50
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