„Taugenichts!“ sagte der Adjutant Gamba und nahm ihn beim Ohr, „weißt du, daß es nur an mir liegt, andere Saiten aufzuziehen? Vielleicht wirst du reden, wennman dir zwanzig mit dem flachen Säbel aufzählt.“ Aber Fortunato grinste nur weiter. „Weißt du auch, kleiner Schlingel, daß ich dich nach Corte oder Bastia weg¬ führen kann? Dort laß ich dich in einem Kerker schlafen, auf Stroh, mit Ketten an den Füßen, und ich laß dich quillotinieren, wenn du mir nicht sagst, wo Gianetto Sanpero ist.“ Das Kind brach bei dieser lächerlichen Drohung in ein Gelächter aus, es wie¬ derholte: „Mein Vater ist Mateo Falcone.“ „Adjutant“, sagte ganz leise einer der Voltigeure, „verderben wir's nicht mit Mateo. dem Gamba war augenscheinlich in Verlegenheit. Er sprach mit gedämpfter Stim¬ me zu seinen Soldaten, die schon das ganze Haus durchsucht hatten. Es war das keine lange Verrichtung, denn die Hütte eines Korsen besteht nur aus einem einzi¬ gen viereckigen Raum. Das Mobilar setzt sich aus einem Tisch, aus Bänken,Tru¬ hen und Jagd= und Hausgeräten zusammen. Währenddessen hatte der kleineFor¬ tunato seine Katze gestreichelt und schien sich boshaft über die Verwirrung derVol¬ tigeure und seines Vetters zu freuen. Ein Soldat trat an den Heuhaufen heran. Er sah die Katze und stieß nach¬ lässig mit dem Bajonett in das Heu, wobei er die Achseln zuckte, als ob er fühlte, daß seine Vorsicht lächerlich wäre. Nichts rührte sich; und das Gesicht des Kindes verriet nicht die geringste Erregung. Der Adjutant und seine Mannschaft wünschten sich zum Teufel; schon sahen sie ernsthaft nach der Ebene aus, als wären sie ge¬ neigt, dorthin zurückzukehren, woher sie gekommen waren, als ihr Führer, überzeugt davon, daß Drohung keinerlei Eindruck auf den Sohn Falcones machte einen letzten Versuch anstellte, indem er die Macht von Versprechungen und Geschenken zu erproben sich anschickte. „Kleiner Vetter, du scheinst mir ein geweckter Bursche zu sein! Du wirst's weit bringen. Aber du spielst ein garstiges Spiel mit mir; und wenn ich nicht fürchtete, meinem Vetter Mateo Arger zu verursachen, so, hol mich der Teufel! würd ich dich mit mir nehmen. „Bah! „Aber wenn mein Vetter zurück ist, werd' ich ihm die Geschichte erzählen, und fürdeine Mühe, gelogen zu haben, wird er dir bis aufs Blut die Rute geben.“ „Das fragt sich!“ „Du sollst sehen... aber, schau . .. sei ein artiger Junge, und ich werd' dir was chenken. „Und ich, Vetter, schenk dir den Rat, daß bei noch längerem Zögern der Gia¬ nettoin der Macquia sein wird, und dann braucht's mehr als einen Kerl wie dich, um ihn dort zu holen. Der Adjutant zog eine Uhr aus der Tasche, die gut zehn Taler wert war; und als er sah, daß die Augen des Kindes bei diesem Anblick funkelten, sagte er ihm, indem er die Uhr an der Stahlkette herunterhängen ließ: „Schelm, du hättest doch gern eine Uhr wie diese um den Hals hängen, und dann würdest du in den Stra¬ ßen von Porto Vecchio stolz wie ein Pfau einherspazieren; und die Leute würden dich fragen: Welche Zeit ist's? und du antwortest ihnen: Schaut auf meine Uhr. „Wenn ich groß bin, bekomm' ich eine von meinem Onkel, dem Korporal. „Ja, aber der Sohn deines Onkels hat schon eine. . . nicht so schön wie diese, alleswas wahr ist. .. Und doch ist er jünger als du.“ Das Kind ächzte. „Nun, willst du die Uhr, kleiner Vetter?“ Fortunato, der die Uhr anblinzelte, glich einer Katze, der man ein ganzes Huhn vorhält. Da diese fühlt, daß man sich über sie lustig macht, wagt sie nicht, die Krallen danach auszustrecken, und von Zeit zu Zeit wendet sie die Augen ab, um nicht der Gefahr der Versuchung zu unterliegen; aber sie leckt sich alle Augen¬ 36
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