„Aber wirst du auch so schnell laufen als ich?“ Er machte einen Sprung und befand sich außer Greifweite. „Du bist nicht der Sohn von Mateo Falcone! Willst du mich vor deinem Hause verhaften lassen? Das Kind schien gerührt. „Was gibst du mir, wenn ich dich verstecke? Der Bandit wühlte in einer ledernen Tasche, die an seinem Gürtel hing, und Pul¬ zog ein Fünffrankenstück heraus, das er ohne Zweifel zurückbehalten hatte, um ver zu kaufen. Fortunato lächelte freudig bei dem Anblick des Geldstückes; er griff danach und sagte zu Gianetto: „Fürchte nichts!“ Sofort machte er ein großes Loch in einem neben dem Hause liegenden Heu¬ haufen, Gianetto kroch hinein, und das Kind deckte ihn derart zu, daß er etwas Luft zum Atmen hatte, ohne daß es aber möglich gewesen wäre, unter dem Heu einen Menschen zu vermuten. Zudem verfiel er auf einen ziemlich erfinderischen und eines Wilden würdigen Kniff. Er nahm eine Katze und deren Junge und legte sie solcherweise auf das Heu, daß man annehmen mußte, es sei seit einiger Zeit nicht mehr gewendet worden. Darauf deckte er die Spuren von Blut auf dem Pfad nahe dem Hause sorgfältig mit Staub zu, worauf er sich wieder mit der größten Ruhe in die volle Sonne niederlegte. Einige Minuten später waren sechs uniformierte und in gelben Halskragen steckende Männer, die durch einen Adjutanten befehligt wurden, vor der Tür Ma¬ teos. Dieser Adjutant war weitläufig mit Mateo verwandt. (Es ist bekannt, daß man auf Korsika die Grade der Verwandtschaft viel weiter verfolgt als irgend sonstwo). Er hieß Tiodoro Gamba; er war ein energischer Mann und von den Ban¬ diten sehr gefürchtet, deren er schon mehrere eingefangen hatte. Grüß Gott, kleiner Vetter“, sagte er zu Fortunato, indem er ihn freundlich anredete; „wie bist du groß geworden! Hast du nicht eben einen Mann vorbei¬ kommen sehen?“ „Oh, ich bin noch nicht so groß wie Ihr, Vetter“ antwortete das Kind mit einfältiger Miene. „Das wird schon kommen. Aber sag doch, hast du nicht einen Menschen vor¬ beikommen sehen?“ „Ob ich einen Menschen habe vorbeikommen sehen?“ „Ja, einen Mann mit einer spitzen schwarzen Samtmütze und einer rot und gestickten Weste?“ gelb „Einen Mann mit einer spitzen Mütze und einer rot und gelb gestickten Weste?“ „Ja, antworte schnell und wiederhole nicht meine Fragen.“ „Diesen Morgen ist der Herr Pfarrer an unserer Tür vorbeigekommen, auf Er hat mich gefragt, wie's dem Vater ginge, und ich hab' Pferd Piero. seinem geantwortet ... ihm „Ah, kleiner Schlingel, du spielst mir den Schelm! Sag mir schnell, wo Gia¬ hin ist, denn er ist's, den wir suchen; und ich bin sicher, er hat den Pfad netto hierher genommen.“ „Wer weiß?“ „Wer's weiß? Ich bin's der es weiß, daß du ihn gesehen hast.“ „Sieht man Vorübergehende, wenn man schläft? „Du hast nicht geschlafen, Taugenichts; die Schüsse haben dich geweckt.“ „Ihr glaubt also, Vetter, daß eure Gewehre einen solchen Lärm machen? Der Stutzen vom Vater macht einen noch viel größeren.“ „Der Teufel hol dich, verfluchter Strick! Ich bin wohl sicher, daß du Gia¬ gesehen hast. Vielleicht hast du ihn gar versteckt. Vorwärts. Kameraden, geht netto mir in dieses Haus und schaut nach, ob der Mensch nicht dort ist. Er ging nur noch auf einem Bein, und er hat zu viel Verstand, der Halunke, um zu versuchen, die Macquia hinkend zu gewinnen. Übrigens enden hier die Blutspuren. „Und was wird der Papa sagen“, fragte Fortunato grinsend; „was wird er sagen, wenn man erfährt, daß man in sein Haus eingedrungen ist, während er fort war? 35
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