lich erscheinen muß. Auf achtzig Schritte stellte man eine angezündete Kerze hinter eine durchscheinende Papierscheibe, so breit wie ein Teller. Er legte an, dann löschte man die Kerze aus und nach einer Minute schoß und durchbohrte er in völliger Dunkelheit die Scheibe drei=, auch viermal. Mit einer so vorzüglichen Fertigkeit hatte sich Mateo einen großen Ruf er¬ worben. Man hielt ihn für einen ebenso treuen Freund wie gefährlichen Feind; im übrigen lebte er, willfährig und Almosen spendend, mit jedermann im Bezirk von Porto Vecchio im Frieden. Aber man erzählte von ihm, daß er sich zu Corta, wo er seine Frau genommen, sehr nachdrücklich eines Nebenbuhlers entledigt hatte, der ebenso gefürchtet im Streit wie in der Liebe war: wenigstens schrieb man Ma¬ teo einen gewissen Flintenschuß zu, der diesen Nebenbuhler überraschte, wie er sich eben vor einem kleinen, an seinem Fenster aufgehängten Spiegel rasierte. Nachdem diese Geschichte eingeschlafen war, verheiratete sich Mateo. Seine Frau Giuseppa hatte ihm zunächst drei Töchter geschenkt (worüber er rasend war) und endlich einen Sohn, den er Fortunato nannte: er war die Hoffnung der Familie, der Erbe des Namens. Die Töchter waren inzwischen gut verheiratet: ihr Vater konnte im Not¬ fall auf die Dolche und Stutzbüchsen seiner Schwiegersöhne rechnen. Der Sohn zählte zwar erst zehn Jahre, aber er kündigte schon glückliche Anlagen an. An einem gewissen Herbsttage ging Mateo mit seiner Frau frühzeitig aus, um eine seiner Herden in einer Lichtung der Macquia zu besichtigen. Der kleine For¬ tunato wollte ihn begleiten, aber die Lichtung war zu weit entfernt, übrigens war es wohl nötig, daß jemand daheim blieb, um das Haus zu hüten; der Vater wies ihn also ab: man wird sehen, ob er das nicht zu bereuen hatte. Er war seit einigen Stunden abwesend, und der kleine Fortunato lag ruhig in der Sonne ausgestreckt, indem er die blauen Berge betrachtete und daran dachte daß er den nächsten Sonntag bei seinem Onkel, dem Korporal, in der Stadt zu Mittag speisen würde, als er in seinen Betrachtungen plötzlich durch die Explosion einer Feuerwaffe gestört wurde. Er stand auf und wendete sich nach derjenigen Richtung der Ebene zu, aus der der Knall kam. Andere Schüsse folgten immer näher und näher in ungleichen Zeiträumen; schließlich erschien auf dem Pfad, der von der Ebene zum Hause Mateos führte, ein Mann, der eine spitze Kappe, wie man sie bei den Bergbewohnern findet, trug; er war bärtig, in Lumpen gehüllt und schleppte sich mit Mühe vorwärts, indem er sich auf sein Gewehr stützte. Er hatte soeben einen Schuß in die Hüfte erhalten. Dieser Mann war ein Bandit, der nachts aufgebrochen war, um Pulver in der Stadt zu kaufen, wobei er unterwegs in einen Hinterhalt korsischer Voltigeure fiel. Nach kräftiger Verteidigung war es ihm gelungen, einen Rückzug zu bewerkstelligen, bei dem er lebhaft verfolgt wurde und selber von Fels zu Fels zurückschoß. Aber er hatte wenig Vorsprung vor den Soldaten, und seine Wunde setzte ihn außer¬ stande, die Macquia zu gewinnen, ohne erreicht zu werden. Er näherte sich Fortunato und sagte ihm: „Du bist der Sohn von Mateo Falcone?“ „Ja.“ „Ich bin Gianetto Sanpiero. Ich werde von den Gelbkragen verfolgt. Ver¬ birg mich, denn ich kann nicht mehr weit laufen.“ „Und was wird der Vater dazu sagen, wenn ich dich ohne Erlaubnis verstecke?“ „Er wird sagen, daß du recht getan hast.“ „Wer weiß?“ Verbirg mich schnell, sie kommen.“ „Wart, bis mein Vater zurück ist.“ „Warten! Verflucht! Sie sind infünf Minuten hier. Vorwärts, verbirg mich, oder ich töte dich.“ Fortunato antwortete mit der größten Kaltblütigkeit: „Dein Gewehr ist ent¬ laden, und es sind keine Patronen mehr in deiner Charchera“ (eine Art Leder¬ gürtel, der als Patronentasche dient). „Ich hab' mein Stilett.“ 34
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2