Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1956

Einer ehrsomen Wittib demütig Bitten DR. ILSE NEUMANN Paket mit Schriftstücken im Steyrer Stadtarchiv trägt die Auf¬ Ein kleines Wolffen Madlseders, gewester Stadtrichter und Burger zu Steyr schrift: „Weillendt 17. u. 18. Nov. 1627. Verlassenschaft. Wie vielen Steyrern sagt der Name Madlseder noch etwas? Dort und da wird sich jemand erinnern, daß das doppelgiebelige Haus Stadtplatz Nr. 39 (heute 7ein¬ Wolfartsberger) früher das Madlsederhaus hieß, oder daß in „Heimatkunde“ die Madlseder zur Zeit Stephan Fadingers und der Bauernkriege mal von einem den —.Ja, damals war es. Die Chronik unserer Stadt erzählt von Rede war. ach¬ Wirren dieser Zeit und den Schicksalen ihrer Menschen. Der Bericht ist recht lich und trocken, wenn man bedenkt, daß er von einem Mann verfaßt wurde, der die Brutalität dieser Kriegszeit am eigenen Leibe verspürte. Doch die Tatsachen sprechen für sich, es braucht keine großen Worte. Wir können uns vorstellen, was es bedeutet haben wird: Die Bauern ziehen plündernd von Stadt zu Stadt und, scheinbar unaufhaltsam, vernichten sie alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Als sich dieser Heerhaufen näher und näher an Steyr heranschob, beschloß der Stadtrichter Wolf Madlseder, mit den Bauern zu verhandeln und durch freiwillige Übergabe der Stadt an Stephan Fadinger die Plünderung zu verhindern. Er tat dies umso lieber, als ihm (als Protestanten) die Sache der Bauern sicher gerecht erschien. Am Tage nach der Übergabe wurde die gesamte Bürgerschaft vor dem Rat¬ haus zusammengerufen, wo sie den Bauern den Treueid leisten mußten. Den Preis für diese kampflose Übergabe und den Treuschwur der Bürger bezahlte Wolf Madls¬ eder, als nach dem Tode Stephan Fadingers der Aufstand der Bauern ein unglück¬ liches Ende nahm. Er wurde der Ketzerei und des Hochverrates angeklagt, gemein¬ sam mit anderen Rebellen nach Linz gebracht und sein gesamtes Vermögen be¬ schlagnahmt. Nach peinlichen Befragungen auf der Folter wurde er für schuldig befunden und am 26. März 1627 in Linz hingerichtet. Gleichzeitig erlitt noch ein zweiter Steyrer, Dr. Holzmüller, dieses Schicksal. Beiden wurde der Kopf abge¬ schlagen und der Körper gevierteilt. Als Warnung für alle Verräter wurden die Köpfe aufgespießt, vor dem Rathaus in Steyr aufgestellt und die Viertel auf die Landstraßen verteilt. Damit ist für den Chronisten der Fall Madlseder zu Ende, er wendet sich wieder dem Verlauf der Stadtgeschichte zu. Das Aktenbündel im Archiv aber weiß noch einiges zu berichten, das uns einen Blick werfen läßt auf das Schicksal derer, die nach dem Tode Wolf Madlseders vollkommen verarmt und von einem Großteil der Mitbürger gemieden zurückblieben. Es sind dies Regina Madlseder und ihre sechs unmündigen Kinder. Gleich nach dem Tode des Mannes begann der zähe Kampf der Witwe um ihr persönliches Eigentum und das Erbe ihrer Kinder. Eineinhalb Jahre lang mußte die Frau den Kopf ihres Mannes auf dem Spieß vor dem Rathaus sehen und wußte die Teile seines Körpers auf den Land¬ straßen verwesen. Was für ein tapferes Herz hat diese Frau gehabt, was für eine Energie, daß sie nicht müde wurde, in dieser schrecklichen Situation um ihr Recht zu kämpfen. Sie hatte alles verloren, was eine wohlsituierte Bürgersfrau der damaligen Zeit besaß, und in den Verlassenschaftsakten, die vom Magistrat im Beisein eines Linzer Kammerrates angelegt worden sind, finden wir es genau verzeichnet: Silber¬ geschmeidt, silberne Kanndeln, vergoldte Becher, versilberte und vergoldte Trink¬ schiffe, Bestecke, Knöpfe Messing= und Kupfergeschirr, irdene Krüge, Teppiche, Mö¬ 105

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