Ei aus dem Nest der Hühner und stehle Hafer aus dem Sack. Ich bin gern im Roßstall, ich liebe den scharfen Geruch der Pferde. Die Sonne geht hoch am Himmel. Sie reift die Kerne schon braun in den Aepfeln, und aus dem hohen Birnbaum fällt immer wieder eine goldgelbe Frucht, deren honigsüßes Fleisch mir im Munde schäumend zerschmilzt. Vor dem Bienenhaus sitze ich und das Summen füllt mir die Ohren mit Musik. Fasan und Wachtel stöbere ich auf in den Feldern, das Rebhuhn schnarrt, der Hase schmaust im Krautacker, Wildenten tauchen im Fluß, im Bruch gurrt die Taube. Unter der Böschung im Bach greife ich schnell die glatte Forelle. Jäger mit Hunden ziehen vorbei und der Abt des Münsters nickt aus der Kutsche, wenn er des Weges kommt. Die Gehenkten sind jetzt verschwunden, in den Haselbüschen reifen die Nüsse. Im Blauen kreisen zwei Bussarde und wo ich im Grafe liege, lärmen die Grillen herrlich durch den Sommertag Abends stehen die Rehe in den feuchten Wiesen, aus denen der Nebel raucht. Die alte Zigeunerin ist gekommen, die in jungen Jahren sehr schon war und eine Schloßfrau, eine richtige Gräfin. Die Muhme zeigt mir das Schloß drüben, jenseits des Flusses steht es noch auf der Anhöhe. Nun zieht sie mit ihrem erwachsenen Sohn umher und lebt vom Bettel und schläft im Bauern¬ stroh. Ein dunkles Geschick lastet auf ihrem Geschlecht. Mir scheint sie unheim¬ sich und häßlich. Am Sonntag gehen wir in das Münster zur Messe. Die Muhme zieht ihr schwarzseidenes Gewand an und bindet das große, geflügelte Kopftuch übers schüttere Haar. Sie hat ihren eigenen Sitz in den Kirchenstühlen. In präch¬ tigem Ornat ziehen die Priester auf, die Mönche, und die Orgel braust gewal¬ tig unterm hohen Gewölbe, auf dem meine Augen in hundert Bildern schwel¬ gen. Weihrauchwolken und lateinische Gesänge drohen mich einzuschläfern, aber da fällt mir der Herzog ein und die Jagd in den dunklen Wäldern der Vorzeit, das Horn erschallt und der getroffene Eber tötet des Herzogs Sohn. Unter dem Münster liegt er begraben. Nach dem Gottesdienste hat die Muhme noch im Kloster zu tun. Sie be¬ zahlt ihr Begräbnis und dazu das Große Geläute, bei dem alle Glocken in den Türmen des Münsters geläutet werden müssen. Sie ist stolz und führt ein strenges Regiment und hält Ordnung über den Tod hinaus. Am Nachmittag steigt eine schwarze Wolke am Himmel auf, der Sturm bricht in die Krone des Nußbaumes ein, er jagt übers ganze Land, Blitze er¬ hellen die Stube und auf dem Tisch brennt jetzt die geweihte Kerze. Die Muh¬ me spricht den Gewitterbann und wir müssen den heiligen Florian rufen, das er den Hof vor Feuersflammen bewahre. Spät rollt der letzte Donner grollend davon. Es ist Nacht geworden und der Sturm rüttelt noch immer am Dache, er pfeift und winselt im Kamin und die Armen Seelen weinen und schluchzen im Herdfeuer. Die Muhme sprengt ihnen geweihtes Wasser in die Glut, das lindert die Pein der Gemarterten. Dann nimmt sie Brotkrumen und Salz und Asche, ich trage die Laterne. Draußen, wo die Wege unterm Eichbaum kreuzen, steht ein alter, behauener Stein aus längst vergessenen Zeiten. Meine Muhme aber kennt ihn noch. Er reicht mir fast bis an die Brust. Am oberen Ende ist er durchbrochen, ein rundes Loch ist gemeißelt, durch das ich meine Faust stecken kann. In diese Höhlung streut die Muhme das Salz, das Brot und die Asche. Der Wind, raunt sie mir ins Ohr, der Wind ist grob heut, es hungert“ ihn, wir müssen ihn füttern. Ich nicke voll Ehrfurcht vor so viel Geheimnis und Macht der Muhme. Dann kehren wir in die Stube zurück. Mich schüttelt das Grauen. Der Wind ist verstummt, er schlägt nicht mehr ans Dach, und die Armen Seelen im Fegefeuer haben aufgehört zu weinen. 70
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