den breiten Nacken und sagte: „Laß 's gut sein, Liest, es soll schon alles noch recht werden!“ Damit ging er zum Hause hinaus und ließ Weib und Kind und Kuh in einer Bedrängnis zurück; Mutter und Tochter waren hellauf überzeugt, das die Liest dieses Gefühl teilte, denn sie war ja auch ein „Weiberhaftes“ Vorläufig ging der Wieser allerdings nicht weit. Er entsann sich, das kurze Wegstrecke oder seiner Hütte eine kleine Kapelle stand, dort wollte eine er fürs erste seinen Namenspatron anrufen. Drei Mauern und ein spitzes Dach darüber bildeten eigentlich nur eine ge¬ räumigere Nische, in welcher die Statue des Heiligen und ein Betschemel Platz fanden. Es stand da das Bildnis des heiligen Peregrinus, der gegen Fu߬ übel gut anzurufen ist, und es war ihm auch, wie aus einer Inschrift hervor¬ ging, von einem wohlhabenden Bauern aus der Gegend, dem er wieder auf die kranken Beine half, „dies Ort zu einer Schuldigen Danksagung errichtet worden“. In der Hauptsache war dem Wiesner um so eine „andächtiges Platzerl“ und um den Betschemel; das er dabei einen fremden Heiligen traf, an den er kein Gebet zu richten beabsichtigte, das war nebensächlich. Er kniete also hin, machte das Kreuz, faltete die Hände, und da er es nicht mit dem heiligen Peregrinus hatte, so blickte er auch nicht zu ihm auf, sondern sah zu der Seite, während er betete: „O heiliger Jakobus, du mein allerliebster Namenspatron! Ich bei' dir jetzt ein Vaterunser, das du dich meiner armen Kuh annehmen möchtest und die wieder gesund wird... Das tät' ich dich auf das allerinstän¬ digste recht schon bitten, und wenn ich die Kuh behalt', so will ich dir schon auch deine Fürsprach' gedenken!“ Wenn Heilige sich auf die Miene der Andächtigen verstehen, so lag etwas in Wiesners verheißungsreich zwinkernden Augen, das den heiligen Jakobus wohl berechtigte, eine schöne Wachskerze zu erwarten, welche ihm zu Ehr' am Hochaltare brennen wurde. Wiesner betete vorläufig das erst versprochene Vaterunser, und als er damit zu Ende kam und nach dem Steinbilde vor ihm aufblickte, sagte er: „Schau', weil du gerad' da bist, könntest wohl auch gleich mit fürsprechen helfen. O heiliger Peregrinus! Ich bei' dir jetzt ein Vaterunser, das du dich meiner armen Kuh annehmen möchtest und die wieder gesund wird. Das tät' ich dich auf das allerinständigste recht schon bitten, und wenn die Kuh mein bleibt, so will ich dir schon auch deine Fürsprach' gedenken!“ Ließ darauf gleich das andere Vaterunser folgen, erhob sich und ging langsam den Weg, den er gekommen, zurück. Daheim konnte er gleich merken, das er die Sache an dem rechten Ende angefaßt hatte, denn er fand sein Weib und seine Dirn' beruhigter neben der braunen Liest stehen, die still auf der Streu lag und keinen Schmerz äußerte. An der Innenseite der Stalltür war ein kleines Bild aufgeklebt, aber der Dunst hatte das Papier gebräunt, den Druck und die bunten Farben bis zur Unkenntlichkeit verschmiert; das fiel jetzt dem Wiesner in die Augen und er wußte wohl, das es den heiligen Leonhard vorstelle, welcher den Gefangenen in ihren Leiden beisteht und gegen böse Seuche hilft. Diese aber scheint der Landmann weniger für sich und seine Angehörigen als für seine Nutztiere zu fürchten, denn ausschließlich diese hat er der Sorge des genannten Heiligen unterstellt und denselben, unter großmütigem Verzicht auf anderweitige Hilfe¬ Leistung, zum „Viehpatron“ erkoren. „auf ein Haar hätt' ich den der¬ 8 „Teufel hinein —dachte Wiesner gessen, wo ich' doch in der nächsten Näh' hab'! Na, das war' schon verfehlt, von schandenhalber da darum an¬ wenn ich den verabsäumen möcht der sich nehmen muß, und dem in derlei Sachen die Fürbitt' gewiß handsamer ist wie jedem andern! 57
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