Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1955

etwas zu verrichten hat, aber über Schwätzen und Aufhorchen, Abfragen und Zutragen, Anbieten und Abhandeln kann man sich wohl eben so lange der¬ halten; so geschah es, das der Wiesner Jakob seinen Rosenkranz abgebetet Fehringer just auf sein Wä¬ hatte und über den Platz daherkam, als der reiche gelchen steigen wollte. Wie der reiche Bauer des Alten ansichtig wurde, blieb er mit einem Fuß auf der Erde, mit dem andern stand er schon auf der Rad¬ nahe, um sich auf den Kutschbock zu schwingen. „Na, Steigelsteiger“, sagte er, „Was ist 's? Werden wir nicht handeleins werden? Was macht die braune Liesl? Es war die einzige Kuh Wiesners. „Dank der Nachfrag', uns allzusamm' geht' gut!“ ist „Ist recht. Aber die Liest mußt mir doch noch einmal verkaufen. Die ganz braun und hat einen weißen Stern auf der Stirn, akkurat so hab ich schwarze daheim, da mit dem weißen Tupfen“ — er wies dabei die Stelle eine einer eigenen Stirn, und zwar mit so anschaulicher, dazwischendeutender an 1„die zwei Gebärde, als respektiere er auch da Hörner zu beiden Seiten möcht ich nebeneinander sehen. Ueberleg'. Was ich schon einmal ausgesprochen hab, leg ich dir bar auf die Hand, sobald die Kuh in meinem Stall steht. Magst sie heut oder morgen oder ein andermal hinführen, das gilt mir gleich. Er schlug an seinen Geldgurt. Der Wiesner Jakob lachte einfältig, wie eben ein Bauer, wenn er nicht ja oder nein sagen will, und wie er noch immer getan, wenn zwischen ihm und Fehringer die Rede auf die bewußte Kuh kam, und das geschah, so oft die beiden zusammentrafen; denn auch der Fehringer, als Bauer, meinte, manches nicht oft genug sagen zu können und geschäh es mit den nämlichen Worten. auch Er stand noch abwartend. „Nun was?“ fragte er. Der Wiesner fuhr sich mit den dürren Fingern unter den Hut, kraute sich 77 seinen Haarschopf und sagte langsam: „Es möcht schon einmal sein können! „Ist auch recht.“ Der Fehringer stieg auf und fuhr davon. Eine Zeitlang starrte der Wiesner dem Wägelchen nach, dann ging er seines Weges. Er schüttelte öfter den Kopf oder nickte vor sich hin. Es fiel ihm schwer auf das Herz, das er den Handel mit Fehringer nicht beizeiten einge¬ gangen war, aber bisher tat er sich nicht wenig darauf zugute, das er dem reichen Fehringer etwas weigern konnte; doch jetzt liegt die „Liest“ krank und wenn sie gar umsteht, so ist es der sträfliche Leichtsinn gewesen, sie nicht früher verkauft zu haben. Darum hat er gegenüber dem Fehringer so rechtschaffen gelogen, das es allen gut gehe, um sich ein schadenfrohes Wort oder eine der¬ weisende Lehre zu ersparen. An zwei Stunden war er gegangen, da änderte sich plötzlich die Gegend; bis dahin lagen, so weit man sehen mochte, Felder an Felder und Wiesen an Wiesen, so gerade und eben wie die Straße, die sich durch sie hindurch¬ schlängelte, nur in der Ferne blauten hohe Berge; nun begann sich Hügel an Hügel aufzubauen und der Weg wand sich hinauf und hinab. Auf einem Berliner Wohltätigkeitsball flüsterte die Mutter einer ebenso vermögenden wie unansehnlichen jungen Dame dem Dichter Theodor Fontane zu: „Denken Sie nur, der Assessor v. B. hat meine Tochter vorhin geküßt. Hoffentlich hat er ernste Absichten!“— „Das ist wohl anzunehmen“ alt¬ wartete der Dichter. „Ihr Fräulein Tochter küßt man ja schließlich nicht zum Vergnügen.“ Dichter: „Ich habe das Gedicht wunderbar zusammengefeilt. Erst hatte Redakteur: „Feilen Sie weiter! es zwölf Strophen, jetzt nur noch drei.“ Vielleicht kriegen Sie die drei auch noch weg.“ (Aus „Ennsthaler Nachrichten") 55

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