Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1955

breite Bänder mit getriebenen Buckeln als Ornament werden den Kreuzen vorgelegt. Nicht selten sieht man auch kleine Hufeisen als Endungen angebracht. Sie sind nicht das Zeichen eines Meisters, sondern einer Berufsgruppe der Schmiede, die später immer mehr den Schlossern das Feld räumen. Freilich hat das Hufeisen auch eine sinnbildhafte Bedeutung, wie wir sie aus dem Leonhardskult kennen. Das Hufeisen galt als Zeichen für eine gute Fahrt hier ins Reich der Toten. Auf den Dachln sitzt in der Regel um diese Zeit eine Blechschnittfigur, der Herrgott der österlichen Auferstehung als Sinnbild für die Ewigkeit des Lebens. Die Wolken, auf denen er stand, waren in kräf¬ tigem Blau, sein Mantel und die Österfahne in leuchtendem Rot, sein Heiligen¬ Schein in Gold gehalten. Das das Kreuz gleichsam als etwas Gewachsenes, in¬ gendwie Pflanzliches aufgefaßt wird, zeigen die Blätter, die es gleich einem Kelch an der Befestigungsstelle im Stein umgrünen. Das Fußende des Kreu¬ zes war früher immer mit Blei in den Stein vergossen. Das obere Kreuzende und die Enden der Arme sind fast stets ausgehämmert und verbreitert. Später werden aus diesen Verbreiterungen herzförmige Ausnehmungen herausge¬ schlagen. Von „Kreuzlspreitzen“ kann in dieser frühen Zeit noch nicht gesprochen werden, weil die Kreuzfelder noch nicht so mächtig entwickelt sind, das sie dem Winde eine allzu große Angriffsfläche bieten wurden. Blechschnitte um das HSSignum, Engelköpfe oder schwebende Engel beiderseits des Namens¬ kästchens, aber auch stilistisch stark gebundene Blätter und als Weintrauben aufzufassende Gebilde, die leichte Treibarbeiten aufweisen, charakterisieredn ie nächste Entwicklungsstufe. Dabei ist durchaus die eigentliche Feldfüllung um die Kästchen noch von den Spiralen bestritten. Zutiefst der Schreibfreudigkeit der späten Renaissance verpflichtet, geben sie klar lesbare, strenge Kompost¬ Ge¬ tionen, die dazu geführt haben, das sich diese Kreuze unserem heutigen be¬ schmack sehr günstig angeboten haben. Dort, wo die Spiralen einander rühren, ohne sich zu durchstoßen, werden Bünde angebracht, die farbig geh öht sein können. Im Laufe der Entwicklung kommen immer mehr Zierrosetten an ihre Stelle und bei besonders reich ausgezierten Kreuzen kann an Stelle des Triumphans eine krönende Spindelblume treten. Wie in den Großgittern kommt zu den alten, schmalen Spießen und „Saufedern“ allmählich auch die Rückfallskurve und endlich geht die alte Formsprache mit glatter Oberfläche in die des „Keulenschwunges“ mit seinen breiten Knoppern über. Gleichzeitig wird das Namenskästchen in Herzform gemacht. Die Formen schwellen und endlich sehen wir rankenhaltende Puten aus Eisen, später aus Blei im Kreuz¬ feld. Gleichzeitig wird besonders in den beiden Dezennien vor 1700 die Ober¬ fläche lebhaft durch Einhauen zum Blatthaften hin gestaltet, doch bleibt das Ornament noch immer der Schrift verpflichtet und zeigt nicht reiche, üppige Barockformen. Leider erlaubt der Friedhofraum nur selten die Aufstellung dieser Kreuze vor einer lichten Wand, die sie ihrem Charakter nach bedürften. Die Stirnseite der Dachln wird nun auch reicher belebt und den Spiralen und dem Namenskästchen wachsen vom Kreuzfuß her neue entgegen, sodaß sich in der Endform eine erweiterte Möglichkeit für die Eisenkunst ergibt. So mün¬ det der Stil organisch in fließendem Uebergang in die Barockformen. Auch jetzt um 1700 herrscht erst noch die Spirale allein. Sie ist nun freilich mit prächtigen Akantusblättern besetzt, die oftmals golden gehöht waren, wie wir das noch etwa in der Oberlichte der Friedhofkapelle in Garsten sehen können. Zum Triumphan kommt nun Christus am Kreuz. Durch ihn wird das Namenskästchen meist an das Fußende verdrängt. Zu Christus gesellen sich weiter die beiden Assistenzfiguren (Maria und Johannes), es kommen Engel, die in Kelchen das Blut des Heilands auffangen, und zu unterst die Pietä. Andere Heilige finden auf den abgetreppten Dachln ihren Platz. Endlich kam¬ men Baldachine und Kronen dazu. Wir sind an der Wende, wo sich die Spirale in das Bandlwerk verliert. Mit dem kommt vor allem die Quadrillage (ein 132

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