Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1955

Prozessionen der Jesuiten in Stehr im 18. Jahrhundert Dr. Josef Fröhler Die Niederlassung der Jesuiten, welche 1632 als Residenz begründet und 1634 zum selbständigen Kolleg erhoben worden war), ist aus dem kulturellen Leben der Stadt Steyr im 17. und 18. Jahrhundert nicht wegzudenken. Die Patres des Kollegs bildeten nicht nur die Kerntruppe der Gegenreformation, sondern beeinflußten durch ihr Gymnasium, das am 3. November 1632 mit einem feierlichen Gottesdienst in der Spitalkirche eröffnet worden war'), recht wesentlich das geistige Leben der Stadt. Die Schüler des Gymnasiums, das bereits 1634 zur Vollanstalt ausgebaut worden war, führten in der Zeit von 7 1632 bis 1773 jahrlich mindestens zwei, oft aber fünf und mehr Theaterstücke auf, die sich offenbar guten Zuspruchs seitens der Bevölkerung erfreuten. Da die Schulung im Theaterspiel und die öffentlichen Aufführungen einen inte¬ grierenden Bestandteil des Lehrplanes bildeten, fanden sie in den Berichten der Jesuiten nur so am Rande Erwähnung, sodaß nur 99 Aufführungen mit dem Titel des jeweils aufgeführten Stückes zu belegen sind. Die Schüler des Gymnasiums wurden aber auch zur Gestaltung der Prozessionen herangezogen. Diese waren ja nichts Neues, sondern stellten nur die Fortführung einer alten, volkstümlichen Tradition dar, die von den Jesuiten freudig aufgegriffen und mit Hilfe der Schüler ihres Gymnasiums in den bereits vorhandenen dramatischen Elementen ausgebaut und entsprechend der Vorliebe des Volkes für Sinnbilder und Prunk ausgestaltet wurden. Auch die Musik fand hiebei Verwendung). Sie sind die Form des Dramas, an der das Volk aktiv teil¬ nehmen und doch auch zugleich Zuschauer sein kann. Sie bildeten von Anfang an einen wesentlichen Bestandteil der Seelsorge. Einen hervorragenden Anteil an diesen Prozessionen hatten die vier Kongrega¬ tionen, die im Laufe der Zeit in Steyr gegründet worden waren'). Die Mitglie¬ der dieser Kongregationen stellen sich für lebende Bilder, als Träger eines „la¬ darum“ (auch feretrum oder ferculum genannt)*) zur Verfügung und werden so zum Kristallisationspunkt des dramatischen Elementes, zum Kern der oft mit riesigem Aufwand veranstalteten Prozessionen. W Diese waren vermutlich ebenso zahlreich wie die Dramenaufführungen und entwickelten je nach dem Fest oder festlichen Anlaß ihre eigeneForm. Die be¬ deutendste Stellung nahmen zweifellos die Karfreitags= und Fronleichnams¬ prozessionen, später die Katechistenprozessionen ein, die unter zahlreicher Be¬ teiligung der Bevölkerung abgehalten wurden. Daneben gab es noch alljähr¬ sich Prozessionen zum Marienheiligtum nach Garsten und solche zu besonderen Anlässen. Im Rahmen dieses Aufsatzes ist die erstgenannte Gruppe von be¬ anderem Interesse, denn auf diese konzentriert sich die ganze Liebe und Sorg¬ fast des Ordens bzw. der Kongregationen. Die Karfreitagsprozessionen Bereits in den ersten Jahren des Bestandes des Steyrer Kollegs (so z. B. schon 1638)°) finden sich Belege über Geißler= oder Flagellantenprozessionen, die regelmäßig stattfanden, auch wenn sie der Chronist nicht immer aus¬ drücklich erwähnt. Sie werden nur dann aufgezeichnet, wenn sie sich durch besonders prunkhafte Ausgestaltung vom üblichen Rahmen abheben. In soll¬ 115

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