Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1954

Die Tabakpflanzen wurden in Mistbeeten gezogen und hernach ins Freie versetzt. Die getrockneten Blätter beizten die Schwertberger mit einer Mi¬ schung aus Gummi, Gallus und Anis zu gleichen Teilen. Dann wurden sie schwarz gefärbt und rollenweise, ungefähr 3 Zentner (150 Kilo), in einer Kiste verpackt. 1660 bis 1665 kostete ein Zentner 10 bis 14 Gulden, ein Pfund 9 bis 14 Kreuzer.!) In Steyr war um diese Zeit der Tabakverbrauch noch gering. Erst im Jahre 1666 lesen wir wieder von einer Berechtigung zum Tabakverschleiß. Der Magistrat erteilte sie dem Pulvermacher Veit Eisengrueber. Der Drahtzieher Georg Gassenreither, der gleichfalls den Tabakverschleiß anstrebte, wurde ab¬ gewiesen.5) Aber schon im folgenden Jahrzehnt stieg der Bedarf an Tabak, denn drei neue Verkaufsstellen wurden genehmigt. 1674 erhielt Jeremias Purckholzer das Bürgerrecht auf ein „Tobäckh Krämel“, 1675 gewährte man der Witwe Elisabeth Höroltin „auf Wohlgefallen“ die Tabakfeilhabung und 1676 erlaubte der Magistrat dem Bürger Stephan Lobmayr neben der Frag¬ nerei auf Mehl und Grieß und dem Hainzl=Leutgeben auch den Tabakverkauf am Wochenmarkt.°) Einem weiteren Ansuchen, das im nächsten Jahre der Scherschmiedgeselle Wolf Zechetner an den Magistrat richtete, wurde nicht stattgegeben.?) Waren bisher in Steyr nur Tabakkrämer tätig, die Fertigware verhan¬ delten, so finden wir im genannten Jahre (1677) schon zwei Tabakmacher, die sich mit der Tabakverarbeitung befaßten, d. h. die Tabakblätter für den Verbrauch zubereiteten. Es waren dies die Bürger Georg Preßl und Hans Schweinzberger.*) Allein ihre Tätigkeit stieß auf erhebliche Schwierigkeiten. Nach den merkantilistischen Grundsätzen jener Zeit verpachtete die Regierung nicht selten zum Nutzen des Staates den gesamten Vertrieb ergiebiger Handels¬ artikel an einzelne Personen. Die Bevölkerung brachte dieser Monopolidee jedoch nur wenig Verständnis entgegen. Sie empfand es als ungerecht, daß auf Kosten der anderen nur einer Person die Nutznießung eines Handels¬ zweiges zuteil werden sollte.?) Aehnlich verhielt es sich auch damals mit der Tabakfabrikation. Bereits im Jahre 1670 verlieh der Kaiser dem Grafen Franz Christoph Khevenhüller das Tabakmonopol oder, wie man es früher allgemein nannte, den Tabakappalt.“) Für Steyr war diese Maßnahme aber vor¬ derhand bedeutungslos, da hier noch kein Tabak verarbeitet wurde. Kritisch gestaltete sich die Lage erst, als am 3. Februar 1676 Kaiser Leopold die allei¬ nige Tabakerzeugung in der „Tobak Spinn= und Imprägnierungs=Fabrica“ in Enns an Johann Geiger verlieh.!) Mit seinem Auftreten ergaben sich dies ersten Zwistigkeiten, da er, um sich Geltung zu verschaffen, Tabakblätter und Erzeugnisse der Tabakmacher als Kontrabande beschlagnahmte. Auch Georg Preßl mußte daran glauben. Im Jahre 1677 wurden ihm nicht nur Tabak¬ blätter abgenommen, sondern auch Schläge zugefügt, weshalb er die Stadt¬ behörde um ein Interventionsschreiben an die Stadt Enns ersuchte.*) Damit begann ein langwieriger und zäher Kampf, den Steyr zum Schutze der bür¬ gerlichen Tabakmacher führte. Dreimal befahl der Landeshauptmann im Jahre 1677 dem Magistrat, das Tabakschutzpatent Geigers zu affichieren und die „Fabrizierung des Tabaks“ durch die Bürger einzustellen.!) Die Stadt aber ließ sich nicht einschüchtern. Sie erkundigte sich vorerst in dieser Angelegen¬ heit in Linz und Wels, sandte Berichte an die Landeshauptmannschaft und an den Kaiser. Sie wandte sich auch an den Grafen Lobaott von Kueffstain, der ebenfalls mit dem Geigerschen Patent nicht einverstanden war, da „Un¬ tertanen in seinen Märkten Schwertberg und Tragwein sehr geschädigt seien, weil sie schon vor Errichtung der Geigerschen Fabrik in Enns Tabak gebaut hätten. Sein Schwager, der jüngst in Gott entschlafene Herr Landeshaupt¬ mann,) sei der erste gewesen, welcher vor 19 Jahren einen Meister in das 80

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