Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1954

Woran dachten Sie, als Sie mich so plötzlich hinken sahen?“ fragte der Verwalter nun den dritten Bewerber. „Ich? Ich hab an a altes, recht saftiges Pfeifenröhrl denkt.“ „Was? An ein altes Pfeifenröhrl? Ja, wieso denn das? Wenn ich stramm marschiere und plötzlich hinke? Das müssen Sie mir er¬ klären.“ „Mit Verlaub, Herr Verwalter. Wissen Sie, ich bin kein Trinker, kein Raucher und schnupfen tu ich auch nicht. Aber tschicken mag ich, ohne dem kann ich net sein. Da aber, wie mir scheint, das Zigarrenrauchen schön langsam abkommt, weil man keine Zigarrenstummel mehr findet, kauf' ich immer ein neues Pfeifenröhrl und tausche dies bei einem starken Pfeifenraucher gegen sein altes aus. Wenn dann das alte Röhrl so schön saftig durchgebeizt ist, chneid ich's in ganz dünne Scheibchen, die ich so nach und nach auszuzel. So ein Scheibchen hält recht lang an und ist das Beste, das es nur gibt. Derzeit kann ich nirgends ein altes Pfeifenröhrl erfragen und das Tschicken geht mir halt so viel ab. Ob Sie, Herr Verwalter, stramm marschieren oder vor mir daherhatschen, das ist ganz ein Ding, ich denk jetzt den ganzen Tag überhaupt an nichts anderes mehr, als an ein altes, recht saftiges Pfeifenröhrl!“ Der interkauber Maria Schedlberger-Durnwalder, Steyr Die Jännersonne ist über frischgefallenem Schnee emporgestiegen. Mit wärmenden Strahlen hat sie das Gewölk zerteilt und lächelt nun in die duftige, glitzernde Winterlandschaft. Unberührt scheint alles von Menschenhand, nur hie und da verrät eine Tierspur, wir leben, müssen suchen, darben und kämpfen, bis uns die Mutter Erde den Tisch wieder reichlicher deckt. Die Straße sogar, ist ein gleißendes, strahlendes Band von flaumweichen Polsterungen. Die Bäume und Sträucher stehen wie Aschenbrödel verzaubert da, als ihnen dieses leuchtende Kleid vom Himmel fiel. Alte, morsche Zäune sind wie Hagestolze verklärt, in dem hochzeitlichen Gewande. Der Schienenstrang, der sonst braun und schmutzig anzusehen ist, gleicht zwei silberschuppigen Schlangenleibern, die in der weichen Weiße erstarrten. Auf Drähten und Masten singt und raunt es und wie flügge Schwalben sitzen Schneeflocken darauf. Hie und da huscht ein Vogel durch den Tann und stäubt feine Schneewehen zu Boden. Versuche es, dem Zauber zu widerstehen, dich zu bücken und eine handvoll der Herrlichkeit aufzuheben. Siehst du, du kannst es nicht! Aber, nur einen Augenblick strahlt und funkelt es noch, in vielen Schneewundern und Kristallen. Dann hat die Wärme deiner Hand die ganze Schönheit zerstört. Wasser, gleich Tränen, perlt hernieder, dir von neuem zu beweisen, daß gerade darum die Sterne so leuchtend blühen, weil wir Menschen sie nur schauen dürfen —und nie nach ihnen greifen können. 74

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2