daß, wer dem neuen Herzog auf dem ersten Ritt zu seiner Hauptstadt begegnet, wo er sich huldigen läßt, nach landesherrlichem und altem Recht frei ist und ohne Strafe, er hätte begangen, was immer. Laßt also diesen Mann vom Armensünderkarren los, da er unser Angesicht einmal gesehen hat!“ Schecko, der Narr, warf sich, mit den Fäusten trommelnd, gegen die Stäbe und schrie erbärmlich: „Gnade! Gnade!“ Der Herzog lächelte leise? „Ja, Gesell, Gnade soll dir werden, wenn man auch dem armen Narren ungnädig schien! Ihr seid die falsche Straße gefahren, Leute, und du kamst so zur rechten Zeit in meinen Weg. Du bist frei!“ Doch der dicke Schulze bekam plötzlich blutunterlaufene Augen wie ein Büffel, dem man die sichere Beute nimmt, auf der er eben herumtrampeln wollte. „Herzogliche Gnaden, das geht nicht, der Mann ist ein böswilliger Aufwiegler und Verleumder der Obrigkeit. Er — Doch weiter kam er nicht. Der Herzog streckte jäh die Hand aus. Knechte sprangen vor. „Mein Herr Schulze von Ober=Bockelheim“, sagte er langsam und vernichtend, „die Obrig¬ keit hat selbst zu gehorchen, wenn sie Gehorsam haben will: und sie soll Laune haben, wenn man ihr gern gehorchen soll!“ Des Herzogs Auge schloß eine blaue Flamme. „So ihr aber halsstarrig sein wollt und des Landes und eures Fürsten Recht mißachtet, könnte der Karren leicht eine andere Bestimmung bekommen und eine andere Fracht. Das Gitter auf! In des Herzogs Hand liegt allein letztes Recht und Gnade und unsere erste Pflicht, eh wir morgen zur Huldigung ziehen, sei Milde, wenn auch nur ein armer Narr sie verlangen mag.“ Reglos hielt der fürstliche Zug hinter seinem Herrn, der Schulze war bleich zurückgewichen. Schecko, der Narr, fiel aus dem Karren befreit, dem Herzog zu Füßen. Der nickte ihm freundlich zu. „Du magst dich uns anschließen, der Herzog kann zu seinem neuen Amt einen Narren brauchen: du sollst mir die Grillen ver¬ treiben helfen, und ich will mehr Laune zu haben versuchen als hoher Schulze und strenger Rat von Ober=Bockelheim! Was der Freimann an verlorener Arbeit verlangt, zahlt die fürstliche Kasse.“ Damit wandte er grüßend sein Pferd und ritt weiter, Schecko, der Narr, lief selig neben seinem Steigbügel her. Bunter Narrenrock und wehender Für¬ stenmantel glänzten in der Abendsonne wie Flecken eines Kleides. Einer warf plötzlich seine Mütze in die Luft und schrie: „Vivat der Her¬ zog!“ Brausend schwoll der Ruf. Der Herzog winkte leicht zurück, dann ver¬ chwand er mit dem Narren zwischen den Bäumen; hinter ihnen der fürstliche Zug und die Knechte. Alle waren auf einmal selig, daß der arme Narr nicht gehenkt worden war; keiner wußte mehr genau, warum sie ihn eigentlich hatten hängen wollen?! Im blauen Abendschatten lagen die Häuser von Unter=Bockelheim; auch den Galgen sah man nicht mehr vor lauter Licht. Nur der Frühling wehie über Blätter und Stämme und leiser Vogelruf. Langsam fuhr der leere Karren hinter den zuckelnden Mähren zurück. Der Wald verschlang Menschen, Karren und Lärm und auch die Wut des dicken Schulzen von Ober=Bockelheim, dem seine Beute entgangen. Den Herzog aber freute das Weidmannsheil, das ihm noch auf fürstlicher Pirsch zuteil geworden, ehe die Nacht kam, nach der er als neuer Herr sein Land in feste Zügel nehmen sollte. Selig und friedlich schlief der Narr, dessen Hals er aus der Schlinge gerettet hatte. Niemand liebt das Leben mehr, als wer es schon verloren geglaubt: der ganze Witz kann einem da wiederkehren! Dies ist die Geschichte von Schecko, dem Narren, und seiner wunderbaren Rettung. 71
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