Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1954

Schecho der Narr Hans Nüchtern Schecko, der Narr, sollte gehängt werden, und weil die Bürger von Ober¬ Bockelheim keinen Galgen hatten, so wollten sie ihn zu Unter=Bockelheim hän¬ gen, wo das nächste Galgenholz stand. Was seine Schuld gewesen sein sollte, kam nicht eimal bei dem Halsprozeß, den man Schecko, dem Narren, angehan¬ gen hatte, klar heraus; die einen sagten, er habe die Obrigkeit geleugnet und den Gehorsam untergraben, die anderen, er habe den Glauben verspottet; die dritten, der Narr sei ein böser Aufwiegler gegen Landesherrn und Staat. Be¬ wiesen wurde nur wenig, geglaubt auf einmal alles, und die, so einmal am mei¬ ten über des Narren Späße und Fertigkeiten gelacht hatten, waren nun die ersten bei der peinlichen Anklage. Der Angeklagte blieb im Turm, bis er mürb wurde und seinen Witz verlernt hatte. Dann kam es zum Gerichtstag, der so ausging, wie er ausgehen mußte. Der Narr wurde für alles schuldig gesprochen, was er getan und was er auch nicht getan hatte, und wurde verurteilt, an seinem Halse solange aufgehangen zu werden, bis das Leben entwichen sei —ihm zur Straf' und allen bösartigen Narren zum Exempel! Schecko, der Narr, saß trübselig auf dem Boden seines letzten Hauses, ehe er den Tanz mit des Seilers Tochter beginnen mußte. Der Zug wanderte schreiend und johlend durch den Frühlingswald, der hügelansteigend, Ober¬ Bockelheim von Unter=Bockelheim trennte. Der Wind lief durch die Blätter, die Bäume dufteten, Schecko dachte traurig, daß dieser ganze blühende und grünende Wunderfrühling nichts mehr für einen sei, der den Sommer gewiß nicht mehr erleben werde! Ganz gelb war sein Gesicht vor Angst und Not und nicht das geringste Witzwort fiel ihm mehr ein. Seine arme Verzweiflung freute jedoch nur die Roheit der Menge: man sang Spottlieder zu dem Karren empor, der langsam, von zwei Schindmähren gezogen, der Höhe zufuhr. Von dort oben konnte man bereits deutlich den Galgenberg von Unter=Bockel¬ heim und das fatale Dreibein sehen, es fehlte auch nicht an solchen, die Schecko diese traurige Aussicht noch höhnisch ankündigten. Gerechtigkeit, die nicht mehr Hinter dem Karren ritt wie die verkündende aus den Klauen läßt, was sie hat, der Schulze von Ober=Bockelheim. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, den armen Sünder selbst zum Galgen zu führen undihm den Stab mit eigener Hand zu brechen. Knapp vor der Höhe mußte der Zug rasten. Während die Menge pfiff sich hinstarrte und ausrech¬ undjauchzte und Schecko, der Narr, trübselig vor nete, wieviel näher er jetzt schon wieder dem Galgfen und dem bitteren Ende sei, trat plötzlich ein Jäger aus dem nahen Unterholz, der auf der kleinen Lich¬ tung gerastet haben mochte. Der sah sich verwundert das tolle Treiben an, und weil ihn niemand hinderte, ging er auf den Karren zu: er war ein großer, junger Mann, dem das grüne Wams und der grüne Hut trefflich kleideten. noch Der Jäger grüßte artig nach allen Seiten — die Ober=Bockelheimer grü߬ ten darob erfreut ebenfalls — und rief zu dem stummen Narren im Karren hinauf: „Hollah, Gesell, siehst du aber arg trübselig und gerupft aus. Schecko, der Narr sah ihn schief und traurig an, er war nur mehr ein Schatten seiner 69

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