nun, in die bewegte Wirklichkeit zurückkehrend, mußten sie es fühlen, mußte sich in Mienen und Gehaben das wehmütig Süße dem Kenner weisen, der es vorgeahnt hatte und nun die Bestätigung seines Traums genießen wollte. Sie kamen. Der gleichgültig=nüchterne Hufhall enttäuschte des Grafen über¬ fein jedem Reize erschlossenes Ohr. Er wußte: alles, was er fühlte, teilte sich demTiere mit; wenn er glücklich war, tänzelte es beglückt, sein Mißmut floß über in des Rosses Haltung. Näher kamen die Reiter. Des Grafen Auge forschte scharf. Nichts war zu lesen in diesen Mienen, ein wenig leibliche Freude am Ritt, ein wenig wohlige Müdigkeit, sonst nichts. Der Tisch war im Freien gedeckt. Der Graf rückte die Windlichter so, daß kein noch so feines Spiel der Mienen ihm entgehen konnte. Nichts, nichts konnte er daraus lesen. 001.8125- — ## Er schützte Mudigleit vor, wünschte „Gute Nacht“, verbarg sich. Ein paar Augenblicke noch führten sie ein müdes Gespräch, dann reichten sie einander unbefangen die Hand und gingen auf verschiedenen Wegen nach ihren Schlaf¬ — im kan rn. Der Graf lag im Fenster und beugte sich weit in die Fülle der Nacht. Uebernächtig strömte der Duft der Linden, wie ein Rauschen rührte es des Mannes Sinne. Ihm war, als fühle nur er allein in der Welt die süße Fülle des geheimnisschweren erwachenden Sommers, als sei diese Last allein seinen Schultern aufgebürdet. In der Ruhe des Lagers fiel sie von ihm ab, der Traum lebte wieder auf. Würde er doch noch Wahrheit werden? Bang klang die Frage in die ungeheure Einsamkeit. Der Graf von Avricourt hatte noch ein paar Tag lang das Gehaben der beiden jungen Menschen beobachtet, sein Wille hatte versucht, ihr Schicksal zu zwingen, vergebens. Langsam war aus seiner Ohnmacht ein Gefühl des Zornes geworden, das da und dort ausbrach. Ohne Verstehen trugen es die Beiden, stumm, ohne Widerrede. Einigemal wagte Madeleine eine Frage, rauh wies der Graf sie ab. Zurückgestoßen, schloß sie sich nun enger an den Jungen, sie sprachen über das ihnen Unverständliche, hatten nun ein Gemeinsames, das sie näher brachte... Henri erzählte von seiner Jugend, Madeleine beantwortete sein Bekenntnis mit größerem Vertrauen. Der Graf bemerkte diese Wandlung noch nicht sogleich, denn er hatte nach seiner Enttäuschung sich zurückgezogen und allein gelebt. Nun hätte er sich eigentlich freuen sollen, wie er sich gestehen mußte. Er freute sich nicht. Wohl versuchte er, sich einzureden, sein zwingender Wille hätte die Beiden zusammengefügt, aber seine klare Einsicht sagte ihm bald, daß er sich selbst belog. Er hatte keinen Teil daran, er war ausgeschaltet, er formte nicht mehr. Das Schicksal war stärker als er. Aus diesem Gefühl der Ohnmacht zog sein Zorn Nahrung. Wohl bezwang er sich, kein lauter Ausbruch verriet ihn, mühsam dämpfte er ihn zu spitzem, leisem Verletzen. Wenn die Beiden in ihrem unbefangenen Erwachen harmlos sich freuten, ätzte sein Spott, wenn sie einfach plauderten, zerriß sein scharfer Geist das Gespräch. Es bereitete ihm Freude, den Sohn vor Madeleine zu demütigen. Er stieß die Beiden von sich, wenn sie noch einmal den Versuch machten, sich ihm zu nähern. So ent¬ fernten sie sich immer weiter von ihm, indes zwischen ihnen Schranke um Schranke fiel. In einer sternlosen Nacht betraten heimlich zwei Männer das Schloß, einjunger Adeliger und ein alter Bauer. Kein Licht brannte, die Stimmen dämpften sich zum Flüstern. Erregt, in überstürzter Ungeduld sagte der Junge einen Bericht, ruhig, voll überlegener Entschlossenheit, stellte der Alte die Bitte. Sie schwiegen, warteten, sie begannen von neuem, dringlicher und überzeu¬ gender ihre werbende Rede, schwiegen, warteten. Stille. 62
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