er verborgen, vorahnend Bild um Bild. Die beiden jungen Menschen saßen nicht mehr scheu im Abstand einander gegenüber, sie rückten näher, Hand fand in Hand, Körper drängte zu Körper. Die Beiden wurden wie ein Bild, dessen Harmonie dem Grafen in einen erquickenden Traum folgte. Der Reitknecht hatte drei Pferde gesattelt, schon stand des Grafen Fuß im Bügel. Langsam löste er sich. „Ich vergaß! Heute kommt der Baumeister aus Nantes, um mit mir über das neue Stockwerk zu beraten. Ihr müßt allein reiten.“ „Sie irren sich“, widersprach Madeleine. „Sie haben ihn für morgen be¬ stellt, ich habe den Brief selbst nach Ihrem Diktat geschrieben.“ „Ich irre mich nie. Ihr reitet allein!“ Sie gehorchten. Lange sah der Graf ihnen nach, dann schritt er durch denPark. Purpurne Pfingstrosen leuchteten, zart dufteten die Linden. All dies hätte ihn noch vor wenigen Tagen beunruhigt. Heute genoß er Farbe und Duft mit kühler, ferner Bedachtsamkeit. Seit er sich selbst nicht mehr in sicherem Abstand zu sehen vermochte, hatte er die Arbeit an der Geschichte seines Le¬ bens unterbrochen. In dem Traume, den er nun dichtete, spielte er keine Rolle mehr, war er nichts als ferner, kühler Gestalter, Meister eines Schicksals. Er genoß den langsam sich bildenden Traum, wie den Duft der Linden, die Leucht¬ kraft der Blumen. Er war wieder Herr über sich selbst, Herr seiner Welt. Der Graf von Avricourt stand im dunklen Baumgewirr verborgen und harrte der Heimkehrenden. Festgezeichnet sah sie sein Traum: Scheu, ängstlich aus ihrem Alleinsein in die störende Welt sich fügend, und doch beglückt, im gemeinsamen Erinnern an erste, einsame Stunden. Einerlei, ob sie diese Stun¬ den genützt, ob junge Hemmung ihnen Herz und Mund noch verschlossen hatte, 61
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