Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1954

eingedeckt mit glattem Eise, auf welchem, als ich über den Steg ging, die Sterne des Himmels gleichsam Schlittschuh liefen. Später war ein Berg zu übersteigen; auf der Passe, genannt der „Höllkogel“ stieß ich zur wegsamen Bezirksstraße, die durch Wald und Wald hinabführt in das Murztal. In diesem lag ein weites Meer von Nebel, in welches ich sachte hineinkam, und die feuchte Luft fing an, einen Geruch zu haben, sie roch nach Steinkohlen; und die Luft fing an, fernen Lärm an mein Ohr zu tragen, denn im Tal hämmerten die Eisenwerke, rollte manchmal ein Eisenbahnzug über donnernde Brücken. Nach langer Wanderung ins Tal gekommen zur Landstraße, klingelte Schlittengeschelle, der Nebel war grau und lichter, so daß ich die Fuhrwerke und Wandersleute, die für die Feiertage nach ihren Heimstätten reisten, schon auf kleine Strecken weit sehen konnte. Nachdem ich eine Stunde lang fort¬ gegangen war, tauchte links an der Straße im Nebel ein dunkler Fleck auf rechts auch einer, links mehrere, rechts eine ganze Reihe — das Dorf Langen¬ wang. Alles, was Zeit hatte, ging der Kirche zu, denn der Heilige Abend ist voller Vorahnung und Gottesweihe. Bevor noch die Messe anfing, schritt der hagere gebückte Schulmeister durch die Kirche, musterte die Andachtigen und fragte leise, ob ich ihm nicht die Orgel treten wolle, es sei der Mesnerbub krank. Voll Stolz und Freude, also zum Diener des Herrn geworden zu sein, ging ich mit ihm auf den Chor, um bei der heiligen Messe den Blasbalg der Orgel zu ziehen. Ferner erinnerte ich mich, an jenem Morgen nach dem Gottesdienst in der dämmrigen Kirche vor ein Heiligenbild hingekniet zu sein und gebetet zu haben um das Glück und Segen zur Erfüllung meiner bevorstehenden Aufgabe. Das Bild stellte die vierzehn Nothelfer dar, einer wird doch dabei sein, der zur Ein¬ treibung der Schulden behilflich ist. Es schien mir aber, als schiebe während meines Gebetes einer sich sachte hinter den andern zurück. Trotzdem ging ich guten Mutes hinaus in den nebligen Tag, wo alles emsig war in der Vorbereitung zum Feste, und ging dem Hause des Holz¬ händlers Spreitzegger zu. Als ich daran war, zur vorderen Tür hineinzugehen, wollte der alte Spreitzegger, soviel ich mir später reimte, durch die hintere Tür entwischen. Es wär ihm gelungen, wenn mir nicht im Augenblick geschwant hätte: Peter, geh nicht zur vorderen Tür ins Haus wie ein Herr, sei demütig, geh zur hinteren Tür hinein, wie es dem Waldbauernbuben geziemt. Und knapp an der hinteren Türe trafen wir uns. „Ah, Bübel, du willst dich wärmen gehen“, sagte er mit geschmeidiger Stimme und deutete ins Haus, „na, geh dich nur wärmen. Ist kalt heut! Und wollte davon. „Mir ist nicht kalt“, antwortete ich, „aber mein Vater läßt den Spreitz¬ egger schön grüßen und bittet ums Geld.“ „Ums Geld? Wieso?“ fragte er, „ja richtig, du bist der Waldbauernbub. Bist früh aufgestanden, heut, wenn du schon den weiten Weg kommst. Rast nur ab. Und ich laß den Vater auch schön grüßen und glückliche Feiertage wünschen; ich komm ohnehin ehzeit zu euch hinauf, nachdem wollen wir schon gleich werden.“ Fast verschlug's mir die Rede, stand doch unser ganzes Weihnachtsmahl in Gefahr vor solchem Bescheid. „Bitt wohl vom Herzen schön ums Geld, muß Mehl kaufen und Schmalz und Salz, und ich darf nicht heimkommen mit leerem Sack. Er schaute mich starr an. „Du kannst es!“ brummte er, zerrte mit zäher Gebärde seine große, rote Brieftasche hervor, zupfte in den Papieren, die wahrscheinlich nicht pure Banknoten waren, zog einen Gulden heraus und sagte: „Na schön, so nimm derweil das, in vierzehn Tagen wird dein Vater den Rest schon kriegen. Heut hab ich nicht mehr.“ 51

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