Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1954

Josef Friedrich Perkonig RÖMISCHE HONZE Ich zögere zuerst ein wenig, ehe ich zu erzählen beginne; gehört, frage ich mich, diese Geschichte wohl hieher? Sie handelt nur von einem winzigen Metallplättchen und einigen einfältigen Menschen, deren Gemüt von ihm sehr bewegt wurde. Trotzdem, sage ich, gehört diese Geschichte hieher, denn das Plättchen wurde nicht auf einem beliebigen Hügel gefunden, wo es auf der Erde lag, mitten im braunen Staub, es war der Hügel Palatin zu Rom,also ein erlauchter Hügel. Wäre dieses an sich unscheinbare Metallplättchen auf einer Straße inmitten der Stadt gelegen, vor einem Haustor, kaum jemandhätte sich dannach gebückt, vielleicht hätte es ein Kind aufgehoben, es einige Zeit bewahrt und zuletzt doch wieder fortgeworfen. Aber da es von einem geweihten Hügel kam, gewann es ein wunderliches Leben, und es währt wahrscheinlich mmer noch fort. Der Zufall wollte es, daß der Mann, dessen Blick es im Staube zuerst wahrnahm, aus den Bergen des Nordens kam. Und alle anderen Leute, denen es dann auf der Hand lag, hatten, soweit sie nicht reine Römer waren und deshalb das Bleistück mit anderem Blicke schätzten, Berglerblut im Leibe. Das spürt man deutlich in der Geschichte. Sonst könnten die Leute nicht o wunderbarem Aberglauben nachhängen. Von den Bergen her, wo ihre Väter noch Haus und Erbe besaßen, ehe sie in die Ebene niederstiegen oder gar nach Rom auswanderten, sind sie es gewohnt, jedes Ding schwerer zu nehmen, als es von Natur aus sein mag. Rasch brennt ihr Herz, und der Rauch, der von solchem Brande kommt, verhüllt ihren Kopf. Du kannst ihnen widerreden, olang es dich gelüstet, ihre Ohren sind taub sie haben einen hartnäckigen Eifer, zu bewahren, was sie empfingen. Diese Stetigkeit kommt vom Berge; wie er unverrückbar ist, so sind es nach irdischen Maßen auch seine Geschöpfe. Und etwas Außerirdisches ist beständig um ihn. Jetzt aber die Geschichte! Sage keiner, die Zeit der Märchen sei vorüber, ich weiß es besser, in Rom hat man es mir wieder einmal bestätigt. Wohl bin ich mit vielen anderen gemeinsam verwundert, daß sich solche merkwürdige Dinge heute noch ereignen können, doch sie haben sich nun einmal ereignet, und das Zeugnis jener, die zuerst davon sprachen, kann nicht bezweifelt werden, denn es sind ernste und ehrenwerte Männer, die jedes einzelne Wort klug abwägen, ehe sie es laut werden lassen, geschweige denn eine ganze Geschichte. Einer von ihnen ist auch mir gut bekannt, er würde sich eher die Zunge abbeißen, als eine Lüge oder Dummheit nachzureden. So müssen wir ihnen denn wohl vertrauen und glauben, was sie erzählen. Heinrich Zumtobel, ein alter Herr aus dem Alpenlande, fand auf dem Palatin zu Rom ein kleines, rundes Klümpchen, ein süßer Schreck ging durch sein Herz, als er sich bückte, um es aufzuheben, es lag mit deutlichem Gewicht auf seiner Hand, und es wurde ein kreisrundes, flaches Metallstück, als er es 43

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