achtet ist dieses kräftige und große Tier monumentaler als alle anderen und interessanter in seinen geschmeidigen und sicheren Bewegungen. Der anschei¬ nend unproportioniert lange Hals erlaubt dem Kamel, den Kopf mühelos bis auf die spärliche Weide der Wüste zu senken. Die aufrecht stehenden Fett¬ höcker sind nicht nur wirkungsvoll, sondern auch ganz besonders praktisch für die Befestigung des Packsattels auf dem Rücken des Tieres und für einen bequemen Sitz des Reiters im Sattel. Die stämmigen Vorderbeine und etwas schmäleren Hinterbeine sind für lange Wüstenmärsche berechnet. Sie bewegen sich im Paßgang, das heißt, erst die rechten Beine, dann die linken. Wenn das Kamel seine warme, dichte Winterwolle trägt, ist es weit malerischer, als wenn die Wolle abgefallen ist. Der ganze Kopf, mit Ausnahme der Nase, der ganze Nacken und Hals sind mit einer dichten, buschigen Mähne bedeckt, die in mäch¬ tigen Wellen herabfällt und im Winde flattert. Um die vorderen Oberschenkel hängen richtige Polster von dunkelbrauner Wolle, die dazu beitragen, das Tier an der Brust warmzuhalten, wenn es sich nachts zum Ruhen und Wieder¬ käuen lagert. Im Gegensatz zu den meisten anderen großen Tieren liegt das Kamel die ganze Nacht hindurch und ist deshalb von der Natur an der Unter¬ seite des Brustbeinkammes und den Teilen der Beine, die mit dem Boden in Berührung kommen, mit Liegewulsten ausgerüstet. Das schönste am Kamel sind die großen, kastanienbraunen Augen mit ihrem ruhigen und würdigen Blick. Nur in der Brunstzeit, wenn seine natür¬ lichen Schmerzen erwachen, bekommen die Augen einen bösen Glanz und rollen blutunterlaufen und wild in ihren Höhlen. Der ruhige, unberührte Blick verschwindet auch, wenn der Kameltreiber zu heftig an dem Stricke zieht, dessen eines Ende an einem durch den Nasenknorpel hindurchgesteckten Pflock befestigt ist, um das Tier zum Aufstehen zu veranlassen oder an seinen Platz in der Karawane zu bringen. Da hebt es den Kopf, seine Augen flammen und zornig spuckt es eine graugrüne, krautähnliche Masse, die es gerade wiederkäut. Diese originelle Form der Selbstverteidigung hat das Kamel in den Ruf gebracht, immer bei schlechter und eigensinniger Laune zu sein. Aber es kennt seine Wärter, und wer seinen empfindlichen Nasenknorpel weniger hart behandelt, riskiert keinen breiigen Ausbruch seines Unwillens. Ich selbst war immer gut Freund mit den Kamelen, die ich auf langen Wüstenfahrten geritten habe, und hatte nie etwas von ihrer Ungnade zu befürchten. Auf einigen meiner Reisen in das Innerste Asiens spielten Kamele dra¬ matische Rollen und viele von ihnen gingen einem tragischen Schicksal ent¬ gegen. Die schwerste aller dieser Fahrten war im April und Mai 1895, die quer durch die Wüste Takla=Makan vom Jarkent=darja zum Khotan=darja führte. Meine Karawane bestand aus vier Mann und acht Kamelen. Auf Grund falscher Angaben nahmen wir nur für vier Tage Wasser mit und hat¬ ten eine Reise von dreizehn Tagen durch wasserlose Sandwüste mit unfrucht¬ baren Dünen bis zu 60 Meter Höhe zu bewältigen. Da die Frühjahrswärme bald zur Glut wurde und der rasch abnehmende Wasservorrat für die Mann¬ schaft gespart werden mußte, verschmachteten die Kamele und starben eines nach dem anderen. Zwei von den Männern und alle Kamele, mit Ausnahme eines einzigen, verdursteten. Das letzte, welches mit erlöschender Kraft den Khotan=darja erreichte und sich dort satt trinken konnte, erlag bald den Stra¬ pazen, die es durchgemacht hatte. Will man gründliche Erfahrungen sammeln und die Gefahren in den endlosen Wüstengebieten Asiens kennenlernen, so kostet es Opfer dieser Art. Ich will nicht behaupten, daß ich durch die teuer erkaufte Lehre, die beinahe mir selbst und weiteren Männern das Leben gekostet hätte, viel weiser wurde als zuvor, denn in den späteren Jahren durchkreuzte ich noch fünfmal in ver¬ schiedenen Gebieten die Sandwüste und einmal auf einer bedeutend längeren Strecke als auf jener Unglücksfahrt. Aber etwas vorsichtiger wurde ich wohl 36
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