Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1954

Neue Naturdenkmale Vom Landesbeauftragten für den Naturschutz Dr. Heinrich Seidl Der Naturschutz ist seit einigen Jahrzehnten für alle Kulturländer zu einer selbstverständlichen, staatlichen Einrichtung geworden. In den meisten Staaten ging er, wie auch bei uns, aus einer immer selbständiger gewordenen Sparte des Denkmalschutzes hervor und beide Institutionen werden heute noch nicht selten miteinander verwechselt. Der Denkmalschutz bemüht sich um die Erhal¬ tung der Erzeugnisse kunstgeschichtlich wertvoller Bauwerke im engeren Sinne des Wortes, also von menschlichen Erzeugnissen; Naturschutz hingegen nimmt sich besonderer Schöpfungen der Natur an, um die Erhaltung seltener werden¬ der Tier= und Pflanzenarten (Artenschutz), um besondere Einzelgebilde (Natur¬ denkmalschutz), oder um Naturschutzgebiete und die immer dringlicher werdende Landschaftspflege. Bei Naturdenkmalen kann natürlich auch die Hand des Menschen mit¬ beteiligt sein, wie etwa durch Pflanzung. So wurden an Stelle der tragisch berühmten, durch Alter und Sturm zugrunde gegangenen „Linde am Haus¬ hammerfeld“ vier neue gesetzt und unter gesetzlichen Schutz gestellt. Immer aber ist ein Naturdenkmal Naturprodukt. Der Begriff „Naturdenkmal“ dürfte das erstemal von Alexander von Humboldt um 1818 geprägt worden sein. Um diese Zeit ist auch das wissenschaftlich wertvollste Naturdenkmal unseres Landes, das Leopold=von=Buch=Denkmal in den Vordergrund geologischen Interesses getreten. Als es 1935 in diesem Jahrbuch im Rahmen einer erstmali¬ gen Zusammenstellung Steyrer Naturdenkmale erwähnt wurde, galt es noch als eine „Durchragung von Mühlviertlergranit“ aus den „Kräuterschiefern", des Pechgrabens bei Großraming. Die letzten Forschungen Dr. Lögters haben seine Natur als „Scharling“ ergeben, und so sind diese höchst merkwürdi¬ gen Granitblöcke als mächtige, von der Zentralalpenmasse beim Süd=Nord¬ Schub der Alpenbewegung abgerissene „Urgesteinsfetzen“ aufzufassen. Die Ge¬ denkinschrift auf der Nordfläche des größten Granitblocks, welche die „Gesell¬ chaft Deutscher Naturforscher und Aerzte“ 1856 dem Andenken des großen Geologen geweiht hat, machen den Felsen gleichzeitig auch zu einem Denkmal im historischen Sinne. Schon die Zeit der Romantik zeigt eine lebhafte Vorliebe für merkwürdige Felsgebilde, „tausendjährige“ Eichen und andere, oft von Geschichte, Sage und Volksglauben umwobene Naturgebilde und es erhob sich so mancher öffent¬ liche Einspruch, wenn etwa ein beliebter Baumriese von einem „Holzgeier gefährdet wurde oder ein markanter Felsen zu Schotter verarbeitet werden ollte. Natur= und Heimatliebe wehrt sich mit vollstem Recht gegen die zuneh¬ mende Verarmung des Landschaftsbildes und wenn auch die meisten Eigen¬ tümer besonders schöner und denkwürdiger Naturgebilde aus sich selbst heraus den Willen zu ihrer Erhaltung und Pflege haben, so ist es eine ganz andere Frage, ob auch ihre Nachfolger dieselbe heimatpflegerische Einstellung besitzen und darum ist der rechtliche Teil so notwendig, denn Naturdenkmale sollen der Heimat so lange erhalten werden, als es ihre naturgegebene Bestandfähigkeit 112

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