Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1953

78 getan, Goya. Ich bin glücklich. Aber Euer Geschenk vermag ich nicht anzu¬ nehmen, es wäre zu kostbar.“ Goya streifte wie abwesend über die Fläche des Bildes. „Ihr habt mich beleidigt; aber Ihr habt auch die Frau verdäch¬ tigt, das Bild soll Euch daran erinnern, daß man nicht nach der Welt urteilen darf! Es ist mein und der Herzogin gemeinsames Werk, denn sie hat mir dazu ihre Schönheit geliehen, die ich genommen habe. Ich war ja“ ein leiser spöttischer Blick streifte Lerma, „nur der Abschreiber der Natur, den jeder be¬ neiden kann, daß er das Original so sehen durfte. Nochmals, ich schenke Euch das Bild und werde es gegen Abend in Euren Palast schaffen lassen, um auch die Frau Herzogin zu bitten, daß ich ihr Geheimnis nicht länger bewahren konnte.“ Alba lachte ein dröhnendes, befreiendes Lachen. „Das habt Ihr gut ge¬ geben! Ich danke Euch und behalte mir vor, Eure Gabe, wenn auch nicht mit einem Geschenk von gleichem Werte, zu erwidern.“ Der Maler verneigte sich. „Ihr habt mir bereits alles gegeben, was ich verdiene, edler Herr“ sagte er leise. Der Herzog von Alba schlug ihm auf die Schulter. „Ein Prachtkerl, dieser Goya! Verzeiht den stürmischen Auftritt, Meister! Aber Ihr begreift meine Unruhe!“ Das Gesicht des Malers war wieder eine einzige Maske. „Ich be¬ greife alles, Hoheit“, sagte er, „nur mich selbst manchmal nicht.“ Alba schüt¬ telte den Kopf. „Diese Künstler, das ist schon so mit Euch! Begleitest du mich, Lerma, ich will rasch zu meiner Frau. Dieser nickte. „Ich komme gern mit, nur noch zwei Worte mit unserem Meister.“— „Gut also, ich warte im N Wagen. Auf Wiedersehen!“ Massig verließ der Herzog von Alba den Raum. Die beiden sahen sich, alleingeblieben, stumm an. Endlich brach Goya das Schweigen. „Bin ich ein sehr großer Schurke?“ Der andre schüttelte den Kopf. „Nein, Goya! Nur ein wilder Werker an der Schöpfung, da soll man nicht fragen, welche Späne fallen und wohin. Ihr erhaltet Euch selbst, einer Frau den Mann, einem Mann die Lüge, die er zum Leben braucht, und der Welt das Werk, das sie Euch verdankt, ob verhüllt oder entkleidet.“ Der Maler senkte schweigend den Kopf. „Werk eines Goya, dem wir alle Modelle sind, wie ich gelernt und mit dem ich nicht mehr rechten will. Er selbst muß wissen, wieweit er unrecht tun kann oder recht! Ihr schweigt, wie ich schweigen werde und auch sie schweigt“, setzte er leise hinzu. „Und wie sie weiterleben wird mit Euch, in Euch und durch Euch! Da ist keine Wahl! Lebt wohl, Goya! Lerma nickte ihm zu und ging. Der Maler war allein. Er strich mit der Hand über die schmerzenden Schläfen, stellte langsam das zweite Bild neben das erste. Verhülltes und Hüllenloses blickte einander an. Er verglich beide, Seele und Körper, sah beide eins. Er begann mit vorsichtigen Strichen am Hintergrund zu bessern und zu ändern. Leuchtend ruhte die hüllenlose Schönheit der weißen Frauengestalt. Goya malte und vergaß die Zeit. S

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