Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1953

Eure Pflicht als Kavalier! Aber man hat die Herzogin dies Haus betreten gesehen, sie kam öfter, auch heute! Wo ist sie, Ihr haltet Sie versteckt?“ Goya riß die Nebentür auf. „Da ist der einzige Raum nebenan, wo ich jemand verbergen kann, er hat keinen zweiten Ausgang, als durch dieses Zimmer, in dem mich der Herr Herzog von Lerma vor einer Stunde besuchte, der mich allein antraf.“ Lerma nickte stumm; Goya wies mit der Hand hinein. „Seht selbst nach, wenn Ihr mir nicht glaubt!“ Der Herzog von Alba stürzte hinein, kam wieder zurück. „Es ist niemand drinnen, aber sie kann trotzdem hier ge¬ wesen sein!" Der Maler stand wie aus Stein. „Sie kann trotzdem hier ge¬ wesen sein, richtig, die Frau Herzogin war auch vor einer Stunde hier.“ Alba stieß einen Wutschrei aus. Lerma unterdrückte einen Schreckenslaut. Goya hatte den Verstand verloren! Der Herzog keuchte. „Wo ist sie?“ Goya warf Bilder zur Seite, riß das eine heraus, schleuderte es auf die Staffelei. „Hier, Herzog von Alba, hier ist Eure Frau!“ Lerma trat zur Seite, die Schande und Schmach war mit keinem Blut im Zweikampf und keinem Beil zu sühnen. Kein König konnte Goya mehr retten. Ein Wahnsinniger war in sein Schicksal gerannt und riß die schuldige Frau mit. Alba stand fassungslos vor der Staffelei, Lerma traute seinen Augen nicht. In genau derselben Pose wie auf dem andern Bild, aber bekleidet, in Tuch, Mantille und Schleier, ruhte die Herzogin; kühle, ruhige, abweisende Augen sahen dem Beschauer entgegen. Das Bild einer großen Dame von Welt und auch wieder Goyas Meisterwerk. Alba war einen Schritt zurück¬ getreten. „Was heißt das, Goya?“ sagte er heiser. Dieser stützte die Hand auf den Rahmen des Bildes. „Des Rätsels Lösung, Hoheit: Die Frau Herzogin hat sich von mir malen lassen, deshalb kam sie in mein Haus, deshalb die Heimlichkeit, die rasch mißdeutet wurde, sie wollte Euch mit diesem Bild überraschen. Dies ist allerdings mißlungen.“ Er sah ins Leere. „Das Bild ist nicht bezahlt, ist mir auch nicht mehr feil, aber ich schenke es Euch!“ Alba streckte ihm die Hand hin. „Ich habe ihr und Euch unrecht 77

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