Inzwischen hörte man draußen Hörner blasen; da rückte der König mit seiner ganzen Kriegsmacht durch den Wald heran. Er hatte alle seine Reiter mitgenommen, und die Landsknechte, und seine Kanoniere dazu, die lösten auch gleich ein Geschütz, so daß die Kugel krachend in das Klosterdach schlug. Die Brüder bekamen es mit der Anst zu tun, sie meinten nichts anderes, als daß sie nun doch alle an den Galgen müßten, und der und jener hatte etwas zu bekennen, was dem Heiligen neu war. Aber er gebot ihnen fürs erste Schwei¬ gen. Leonhard öffnete das Tor und führte die Königin an der Hand hinaus, und nun war der König an der Reihe, ein albernes Gesicht zu machen, eine Miene, wie sie alle Väter aufsetzen, wenn man ihnen den Erstgeborenen in den Arm legt. Er war aus lauter Freude zu jeder Dummheit aufgelegt, und als König brauchte er auch dabei nicht zu sparen. Stehenden Fußes wollte er dem hei¬ ligen Leonhard ein ganzes Bistum schenken, den Wald, soweit er reichte, und Höfe und Weiden und selbstverständlich auch Fischwasser genug; unsereinem läuft das Wasser dabei zusammen. Aber siehst du, dem Heiligen machte es gar nichts aus, der lächelte nur. „So viel ich auf einem blinden und lahmen Gaul umreiten kann', sagte er, ohne Zügel und an einem Tag, so viel will ich nehmen.“ Die Brüder schüttelten betrübt den Kopf, als sie den Vater auf die Schind¬ mähre hoben, Gottvater selber schüttelte vielleicht das Haupt und beschloß, sich da ins Mittel zu legen. Es ist ja schön, dem Herrn in der Armut zu dienen aber er braucht auch Leute, die ihm das Zeitliche verwalten. Und als Leon¬ hard nun im Sattel saß, streckte sich der Gaul unter ihm, wieherte und griff aus wie ein Jährling. An dem Tag trabte er noch so weit, daß es für ein kleines Fürstentum gereicht hätte. Ja, es half nichts, Leonhard wurde doch noch Herr einer großen Abtei. Aber die Armen vergaß er deswegen nie. Ge¬ fangene zu lösen und Kranke zu retten, Gebärende zu stärken und Rösser zu kurieren, das blieb seine Freude bis ins hohe Alter hinein, bis auf den heu¬ tigen Tag, seit er im Heiligenhimmel sitzt. Zähle nur einmal die Hufeisen drüben in der Kapelle“, sagte mir der Roßknecht, „dann kannst du ermessen, was für ein Segen Leonhard nur für meinen Stand ist, und nebenbei noch das Rindvieh und unsere eigene Anfälligkeit!“ Ja es muß war sein. Leonhard, eiserner Heiliger, später im Leben kam ich noch oft ins Gedränge und hätte Not genug gehabt, dich anzurufen, du schweigsamer und rätselvoller Freund meiner Kindheit! Aber da war ich deinem Blick entrückt, da hatte ich dich vergessen, da war ich längst sehr klug 9 geworden und meinte, Wissen sei besser als Glauben. Nun so treibt man es eben eine Weile. Aber ich könnte mir denken: Wenn ich dereinst alt würde und ich fände die Nische noch unter der Schirmfichte neben dem Roßstall, vielleicht stiftete ich dann auch ein Kreuz aus Eisen und grübe meine letzte Bitte hinein: St. Leonhard, gib Frieden! (Aus „Feierabend“ von K. H. Waggerl; Abdruckerlaubnis vom Otto¬ Müller=Verlag, Salzburg, erworben.) 55
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