mich, ein Riese an Fülle und Wucht des Leibes. Der Schnitzer hatte ihm ein eltsames Gesicht gegeben, nicht das eines Edelmannes, sondern ein Bauern¬ gesicht, jedermanns Angesicht. Es sollte vielleicht sanftmütig ausfallen, wie sich das für einen Heiligen ziemte, aber unter der Hand geriet es dem Meister anders, und nun lebte alles Menschliche darin, im Zug des Mundes, den der Bart umkräuselte, in den Furchen der Stirn, die sich kugelig aus den Schläfen wölbte. So konnte Leonhard, was nur ein Bauer kann: versagen und ge¬ währen, lächeln und zürnen, ohne eine Miene dabei zu verziehen. Die Leute aber vertrauten ihm und liefen von weither zu, weil sie ihn als ihresgleichen erkannten. Leonhard ist der Patron für die ganz großen Uebel des Lebens, der Schuldentilger, der Kettenbrecher. Er hilft bei gefähr¬ licher Krankheit, wenn sonst nirgends mehr Rat zu holen ist, und vor allem schützt er die dienenden Tiere, die schuldlos leidenden. Auch das Ungeborene im Mutterleib hat ihm Gott anvertraut. Andere Heilige sind für diese oder jene Bedrängnis nützlich: sie wenden Feuersnot ab, sie schlichten Streit, sie helfen Verlorenes wiederfinden; es ist ja gut, daß man sie hat. Aber an Leon¬ hard wendet sich der Mensch, wenn ihn etwas Jenseitiges antritt, das dunkle Schicksal selber. Der Roßknecht Martin hat mir dann und wann aus dem Leben des Hei¬ ligen erzählt. Gewöhnlich war der Alte verschlossen und hielt sich knapp mit der Rede, aber seit mich Leonhard so wunderbar erhörte, zog er mich manch¬ mal ins Gespräch, während er im Stall seine gemächliche Arbeit tat. 2 2 4 4 □ ∆ ∆ 2 2/ A 2 0 — „Hierzulande“ sagte er wohl, „in dieser Gegend kennt man den Leonhard zu wenig, kaum, daß ihm das Nötigste geschieht. Aber dort, wo ich daheim bin, im Vorland draußen, dort ist er der erste in der Litanei, die ganze Kirche gehört ihm zu. An seinem Jahrtag reiten ihm die Mannsleute von den Höfen die Gäule vor, damit er sieht, wie sein Segen angeschlagen hat, und damit er sie fürs andere Jahr in Obhut nimmt. Da legt sich ein Knecht ins Zeug, verstehst du, mit Striegeln und Putzen die ganze Woche vorher, er hat auch Hafer zur Seite geschafft, damit der Braune ein wenig Feuer ins Blut be¬ kommt und nicht an seinem Ehrentag den Kopf hängen läßt. Und zum Feier¬ abend steht der Gaul blankgeputzt im Stand, mit einem Hintern, so glatt, daß sich die Dirn darin spiegeln kann, wenn sie jetzt das Bänderzeug in den Stall bringt. In der Frühe nach dem Tränken werden nämlich Seidenbänder in 52
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