Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1953

„Ja, wieso denn, Ihre Frau ist doch so ein lieber Kerl,“ ereiferte sie sich interessiert. „Gewiß, gewiß,“ erwiderte ich spassend, „die Sache war so, daß ich wollte, meine Frau möge sich zum Betriebsausflug bei der Firma Gernklein ein schö¬ nes Kleid auswählen. Meine Frau lehnte dies aber ab. „Das ist ja unverständlich! Da wäre ich nicht so! Du, Franz!“ rief sie ihrem Mann, „bitte, hör' ein wenig zu und nimm Dir ein Beispiel an dem Herrn Ingenieur. Da sie meine scherzenden Worte als pure Wahrheit nahm, blieb ich natürlich in dem Fahrwasser. „Ja, wissen Sie, liebe Frau Zingerl, meine Frau macht sich ihre einfachen Kleider alle selbst und fühlt sich zu Hause am wohlsten. Und ich möchte, daß sie in Gesellschaft geht und sich elegant kleidet. Zum Betriebsausflug will sie ihr Dirndl, das sie ohnehin schon sechsmal geändert hat, wieder umändern. Das Leibchen wurde aus einer alten Schoß angefertigt — Aufputz einmal mit, ein¬ mal ohne Rüscherln —Ausschnitt höher, Ausschnitt tiefer — Rock gezogen, Rock in Falten —Aermel zwei Sorten, kurz und lang, nur geheftet, je nach Witterung. Und altes Material läßt sich doch so schlecht verarbeiten. Deshalb zankten wir uns, weil ich haben wollte, sie möge sich endlich etwas Neues kaufen. Frau Zingerl hörte mir mit weit geöffnetem Aug' und Mund zu und glaubte meinen scheinheiligen Ausführungen, was aus ihrer staunenden Be¬ wunderung hervorging. „Nun wissen Sie, Herr Ingenieur, das muß ich sagen, solche Männer wie Sie, die findet man selten. So verständig. Mein Mann ist gerade das Gegen¬ teil. Bevor man von dem einen Schilling herauskriegt! Ach du liebe Zeit!“ Jetzt wagte mein Kollege Zingerl einen schüchternen Rehabilitierungs¬ versuch. „Mußt ja nicht alles für bare Münze nehmen.“ Da zischte aber auch schon seine bessere Hälfte auf die schlechtere hin: „Sei nur Du ruhig, es ist schon, wie der Herr Ingenieur sagt, denn wir alle wissen, daß eine Frau sehr selten in Gesellschaft zu sehen ist.“ Da nun die Gute Ursache und Wirkung verwechselte, kam ich erst so richtig in Fahrt. Kollege Zingerl versuchte mich zur Vernunft zu bringen, indem er öfters mit der Hand auf der Stirne kleine Kreise beschrieb, mir unter dem Tisch auf die Zehen trat und dabei verstohlene Rippenstöße gab; alles umsonst, noch dazu, wo die anderen Kollegen kräftig sekundierten, um diesem Pantoffelhelden eines auszuwischen. Ich war schon immer ein Feind von Halbheiten, so auch hier. Entweder ein richtiger Pharisäer oder gar keiner! So klagte ich der bereits gerührten Frau Zingerl, daß meine größte Sehnsucht, meine einzige Feude wäre, eine mondäne Frau zu haben, die sich elegant kleidet, wo es doch so nette Kleider undso hübsche Schucherl gibt. Und was kostet dies alles schon, lächerlich! So viel muß man für eine Frau schon übrig haben, wo ja die Hauswirtschaft eine so undank¬ bare, mühevolle Arbeit ist. Hat doch so nichts als Sorgen, die Arme! Kurz ge¬ agt, wenn meine Frau, bei all ihren Tugenden, sich noch so kleiden würde, daß sie allgemein Bewunderung erregte, wäre dies mein größter Stolz, meine rest¬ lose Befriedigung. Alle hörten beifällig zu, mit Ausnahme des Kollegen Zingerl, dessen Frau immer wieder ausrief: „Wirklich, solche Männer wie Sie, Herr Ingenieur, findet man selten! Mein Mann ist gerade das Gegenteil!“ Als sie aber seufzend bemerkte, daß leider in der Ehe nicht immer die „Richtigen“ zusammenkommen, ergriff ich die Flucht. Ich hatte kein gutes Gefühl. Daß ich, daß wir, dem Zingerl ein Süppchen eingebrockt hatten, an dem er einige Zeit zu löffeln haben würde, befriedigte ja einigermaßen, daß ich dabei aber meine Frau bloßgestellt, verursachte mir Gewissensbisse. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher. 230

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