handel, bewerbe und Industrie in Steyr vom 12. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts ADALBERT KOLLER, Stadtarchivar Steyr, im XI. und XII. Jahrhundert Residenz= und Dingstadt der steiri¬ schen Ottokare, entwickelte sich unter der Herrschaft der Babenberger (1192 bis 1246) zu einer durch die Landesfürsten mit besonderen Vorrechten ausgestat¬ teten Handelsstadt. 82 Durch ihre günstige Lage am Zusammenfluß der Enns und Steyrund der von hier leicht erreichbaren Haupthandelsstraße damaliger der Zeiten, Donau, zu einem großen Handelsplatz prädestiniert, entwickelte es sich rasch zu einem Mittelpunkt der Eisenindustrie. Mit dem sogenannten großen Privilegium vom Jahre 1287 (älteste im Besitze der Stadt befindliche Originalurkunde) legte der Habsburger Herzog Albrecht I. den festen Grund zur Selbstverwaltung der Stadt und damit auch zu ihrem ungeahnten Aufschwung als Handels= und Industriezentrum in Oester¬ reich. Dieses Privilegium bewirkte, daß die gewählte Stadtvertrelung gar bald den gesamten Handel mit dem in Innerberg (Eisenerz) gewonnenen Roheisen an sich zog. Schon zu Beginn des XIV. Jahrhunderts war Steyr der einzige berechtigte Verlagsplatz des Innerberger=Eisens und weit über die Grenzen Oesterreichs hinaus als landesfürstliche, privilegierte Niederlagsstadt bekannt. Alle Eisenwaren, die in anderen Orten Oberösterreichs über den Eigenbedarf verfertigt wurden, mußten zuerst nach Steyr geführt und hier durch drei Tage den Bürgern zu einem von zwei ehrbaren Männern der Stadt ausgesprochenen Preise zum Kaufe angeboten werden. Nur der Ueberschuß durfte weiter ver¬ kauft werden. Der Rat der Stadt ließ auch alle Zugänge zum Pyhrn, dem näch¬ sten Handelsweg nach dem Süden, durch eigene Bewaffnete überwachen und durch diese alle Waren, die die Mautstadt Steyr nicht passiert hatten, beschlag¬ nahmen. Mit Hilfe dieses Stappel= und Kontrollrechtes gelangte der gesamte Eisen¬ handel in die Hände einiger reicher Bürgergeschlechter der Stadt und da an Holz und Kohle zur Bearbeitung des Eisens infolge landesfürstlicher Bestim¬ mungen (Vorkaufsrecht und Mautfreiheit für Brenn= und Bauholz) kein Man¬ gel war, entwickelte sich an den Ufern der beiden Flüsse, hauptsächlich aber an der Steyr (Wehrgrabenkommunität), eine kräftige Eisenindustrie, die den In¬ landsbedarf in den Herzogtümern vollständig deckte und deren große Pro¬ duktionsüberschüsse ins Ausland gingen und dort nicht nur im Deutschen Reiche, sondern auch in den Niederlanden, Polen, Ungarn, der europäischen Türkei und in Venezien den Markt beherrschten. Hand in Hand mit der zunehmenden Wohlhabenheit der Bewohner der Stadt stiegen auch die Ansprüche auf eine bessere Lebenshaltung, deren Be¬ friedigung eine große Anzahl neuer, blühender Erwerbszweige ihre Entstehung verdankte. Neue, weitreichende und ausgedehnte Handelsbeziehungen wurden angeknüpft und wer von den Bewohnern der Stadt sich nicht mit dem Handel oder der Verarbeitung des Eisens beschäftigte, trieb mit Eisenwaren (hauptsäch¬ 114
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