Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1953

funden, vielleicht sogar gleichzeitig mit Franz Schubert. Aus dieser Zeit stammt ein Aquarell Stifters, das St. Ulrich darstellt. Von Linz aus mußte er dann als Schulrat wiederholt Inspektionsreisen unternehmen. Seine nicht immer erfreulichen Beobachtungen im damaligen Schulwesen hat er in einem Aufsatz zusammengefaßt, in dem er auch der Schulverhältnisse in Steyr ge¬ denkt. Von Steyr aus schreibt er 1863 seiner Gattin Amalia mehrere Briefe, die in ihrer bezeichnenden Mischung von Alltäglichem und Offenbarung tiefster Liebe zu den schönsten aus seiner Feder zählen. Neben offiziellen Persönlich¬ keiten besuchte er in Steyr wiederholt den Fürsten Gustav Joachim Lamberg, den er von den Wiener Jugendtagen her kannte. In Steyr hat er 1856 die letzte Feile an den Schluß des 2. Bandes seines „Nachsommers“ gelegt. Und da er auch als Konservator tätig war, überwachte er die Arbeiten zur Wieder¬ herstellung der Steyrer Stadtpfarrkirche, veröffentlichte darüber in der „Linzer Zeitung“ einen Aufsatz (1857) und berichtete eingehend über den Fortgang der Dinge an die Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst¬ und historischen Denkmale. Stifter hatte von der Rettung des gotischen Altars in Kefermarkt her eine gewisse Erfahrung. Wenn er nun im Sinne eines Stil¬ purismus aus der Stadtpfarrkirche die Barockaltäre und die barocken Figuren von den Pfeilernischen entfernen ließ, weil ihm Barock und Rokoko als Ver¬ fallszeiten erscheinen, wenn er neugotische Altäre befürwortete, so wird man das dem Zeitgeschmack des Historismus zugute halten müssen. Aber die Re¬ taurierung der Jahre 1854—1857 hat doch manche Schönheiten gerettet, so das wundervolle Sakramentshäuschen beim Hochaltar, und die Freilegung der vermauerten Fenster im Chor gebracht. Auch hat Stifter auf die Bedeutung der Margaretenkapelle und des alten Taufsteines aufmerksam gemacht. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so wären noch weitere Anbauten und Kapellen entfernt worden und wäre die Mauer um die Kirche durch ein Gitter ersetzt worden. Sein Interesse für den ehrwürdigen Bau aber hat die schönen 7 Seiten im 3. Bande des „Nachsommer“ im Kapitel „Das Vertrauen“ gezeitigt, in dem von einer Fahrt zu einer kleinen, abseits auf einem Hügel gelegenen alten Kirche erzählt wird, der dieselbe Erneuerung wie der Steyrer Stadtpfarrkirche zuteil wird. Er nennt die Kirche eine der schönsten und edelsten und läßt daran tiefe Gespräche über Kunstdinge, Wandlungen des Schönheitsbegriffes sowie über Liebhaberei und Liebe sich anknüpfen. So hat Stifter neben Wien, Krems¬ münster, Kefermarkt, Hallstatt auch Steyr in seinem „Nachsommer“ ein Denk¬ mal gesetzt. Die geschichtlichen Umstände von der Erbauung der Stadtpfarr¬ kirche in Steyr aber entnahm er vielfach der „Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyer und ihrer nächsten Umgebungen“ die der Chorherr von Sankt Florian Franz X. Pritz, Sohn einer Steyrer Kaufmannsfamilie, 1837 ver¬ öffentlicht hatte. Pritz hatte seine geschichtlichen Studien in Wien gemacht, war am Linzer Lyzeum Lehrer des alten Bundes und der orientalischen Sprachen, wurde 1851 korrespondierendes Mitglied der neugegründeten k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien und verfaßte neben zahlreichen Aufsätzen unter anderm eine „Geschichte der Klöster Garsten und Gleink“ (1841) sowie eine „Geschichte des Landes Oesterreich ob der Enns“ in 2 Bänden (1846/47), denen eine „Geschichte der steirischen Ottokare und ihrer Vorfahren“ (1846) voraus¬ gegangen war. Inzwischen hatte sich die Zeit gewandelt. Mit 1848 war ein schärferer Wind aufgestanden, der seine Spuren auch in der Dichtung hinterließ. Der Schrift¬ Wiener Alexander Julius Schindler (1818—1885), der sich als Steyr, steller Julius von der Traun nannte, kam zunächst als Chemiker nach Steyr praktizierte aber nach Beendigung seines Rechtsstudiums beim Magistrat und trat 1846 als Justitiär des fürstlichen Patrimonialgerichts Schloß Steyr in die Dienste des Fürsten Gustav Lamberg. Da er sich 1848 in revolutionärem Sinn betätigte, ging er in den Jahren der Reaktion seiner Stelle als Staats¬ 111

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