Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1953

stück „Erwine von Steinheim“ (1780) kam auf das Burgtheater. Seine tra¬ vestierte „Aeneis“ (1784—1788) zeigt im Anschluß an Voltair und Scarron eine scharf antikirchliche Einstellung. Aus seinen Gedichten aber ergibt sich sein innerer Zwiespalt, der Widerstreit von Verstand und Herz, wie er auch bei Wieland begegnet, dem er ebenso nacheifert wie G. A. Bürger. Vom Barock sagt er sich los, treibt Spott und Spiel mit dem Heiligen und erweist sich deutlich als Mensch zwischen zwei Zeiten, dessen Witz zuweilen derb, ja undeli¬ kat werden konnte. Mit dem Erwachen des Natursinnes im Gefolge Rousseaus entdeckte man im Anfang des 19. Jahrhunderts die Reize der heimischen Alpenlandschaft, vor allem des Salzkammergutes. Nun setzen Reisen und Wanderungen ein, die häufig auch über Steyr führen. 1819 kommt Franz Schubert mit dem berühmten Sänger Johann Michael Vogl, einem gebürtigen Steyrer (1768 bis 1840) in die alte Stadt und verkehrt bei den musikfreundlichen Familien Paumgartner, Koller, Schellmann und Stadler. „Die Gegend ist himmlisch“ chreibt er, und der Zauber der Gärten, Wiesen, Hügel und Gewässer von Steyr sind in sein Forellenquintett eingeflossen. 1823 und 1825 kommt er wie¬ der, Steyr selber aber hatte in Franz X. Süßmayr, dem Vollender von Mozarts Requiem, und in Albert Stadler seinen Beitrag zur Musik ge¬ liefert. Wie Stadler mit Schubert befreundet war, so auch Johann Mayr¬ hofer (1787—1836), der mit ihm zeitweilig die Stube teilte und ihm seine Gedichte zur Vertonung gab. Zwei Operntexte „Die beiden Freunde in Sala¬ manca“ und „Adrast“ hatten freilich keinen Erfolg (1815). Mayrhofer, zunächst Novize in St. Florian, dann Zensor in Wien, war eine zwiespältige Natur, die sich in einen strengen Stoizismus flüchtete. Hypochondrische Veranlagung trieb ihn in einen frühen Tod. Zwei Bändchen Gedichte umfassen sein Werk (1824 und 1843), das Ernst Freiherr v. Feuchtersleben betreute. Der Gegensatz von Ideal und Wirklichkeit und seine Ueberwindung im Geiste und im Traum, der Glaube an eine Versöhnung der Widersprüche des Lebens hoben ihn über die Not des Daseins hinaus. Auch er flieht in die Natur, die allein Wahrheit, Größe und Schönheit gibt. Das Ueberwiegen der Reflexion, die oft eigenartig verkrampfte Form und die seltene Sangbarkeit teilt er mit der damaligen österreichischen Lyrik. Moriz v. Schwind hat sein Bildnis in der Sepiazeichnung „Schubertabend im Hause Spaun“ (1868) überliefert. Eduard v. Bauernfeld ihn im „Büchlein von den Wienern“ in Versen charakterisiert. Er stellt die Verbindung mit Wien her, so wie Matthias Leopold Schleifer (1771 bis 1842), 1814—1826 Pfleger und Distriktskommissar der obderennsischen Staats¬ herrschaft Sierning, während seiner Gmundner Zeit ab 1829 der Freund Ni¬ kolaus Lenaus wurde. Ihm wurde in Sierning bei Steyr 1817 ein Sohn Mo¬ ritz Leopold Schleifer geboren (1817—1897), der an verschiedenen Orten als Beamter tätig war. Seine Dichtungen, unter denen auch einige Dramen sind, gab 1879 der Tiroler Dichter Adolf Pichler heraus. Zeitweise lebte auch Otto Prechtler (geb. Grieskirchen 1813,† Innsbruck 1881) in Steyr, nach¬ dem er 1866 als Archivdirektor des Finanzministeriums und Nachfolger Franz Grillparzers in den Ruhestand getreten. Grillparzer suchte ihn auch als Dichter zu fördern. Von seinen Dramen hat Heinrich Laube mehrere am Burgtheater aufgeführt. Ueber 40 Operntexte hat er geschrieben, konnte sich aber nicht durch¬ etzen. Denn er zeichnete die Menschen so, wie sie sein sollen, nicht wie sie sind, und hatte somit seine Zeit überlebt. Mehrere Gedichtsammlungen verfechten seine Auffassung, daß der Dichter das Leben verklären müsse, eine Meinung, die zur Zeit des Realismus der Vergangenheit angehörte. Mit Grillparzer und Feuchtersleben stand auch Adalbert Stifter in Beziehung, der für Steyr in mancher Hinsicht wichtig wurde. Schon in der Jugend in Kremsmünster hatte er Söhne des Eisenhändlers Josef v. Koller unterrichtet und in dessen Haus auf dem Steyrer Stadtplatz Aufnahme ge¬ 110

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