Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1952

Steyr berufen. „Sterbensläufte“ zwangen ihn, Freiberg in Meissen zu ver¬ lassen. Thierfelder, der damals bereits auf eine vierzehnjährige Schuldienstzeit zurückblichen konnte, verlangte für seine schulmeisterliche Tätigkeit zwei Stuben, eine für die Knaben und eine für die Mädchen. Auch seine Frau, so berichtet er in seinem sauber geschriebenen Gesuch vom 17. März 1567, unterrichte schon acht Jahre und könne die Mädchen im Lesen und Schreiben unterweisen. Er würde diese Lehrgegenstände neben Arithmetik und Geometrie bei den Knaben übernehmen.3) Der neue Schulmeister bezog die Räume der alten Stadt= beziehungsweise Lateinschule. Im Dezember 1576 war das uralte Gebäude schon so baufällig daß es gepölzt werden mußte. Es war dies ein unhaltbarer Zustand, der für die Bürgerschaft zum Gegenstand des Spottes wurde und die Stadtbehörde zwang, andere Schulräume ausfindig zu machen. Infolge der hohen Schulden¬ last der Stadt konnte die auf 1500 Gulden geschätzte Instandsetzung des Ge¬ bäudes nicht vorgenommen werden. Man wollte daher im Hause Paul Khob¬ rers in der Enge oder im Taufkircher=Puchnerischen Hause eine Schulwohnung mieten. Da aber auch dieses Vorhaben zu große Unkosten verursacht hätte, wurde in der Ratssitzung vom 29. März 1577 die Verlegung der Bergschule in das Neutorgebäude beschlossen und im Sommer die Uebersiedlung voll¬ 23) zogen.“ Wie oben erwähnt, befand sich nun der Kantor Wilhelm Klausner bis zum Einzug des Schulmeisters Ullman im alten Stadtschulhaus. Ehe dieser hier manns, ie unkatholischen deutschen Schulmeister abzuschaffen und deren Stellen stoph Fraydler und Wolfgan Perger als Deutschschreiber („teutsch¬ einer riesigen Roßkastanie. Die nördlich Wolfer weithin sichtbaren „Albern 1593 die Schule einrichtete, ließ der Stadtkämmerer Wolf Schwindnhamer das Gebäude nur notdürftig ausbessern, die Stadt war ja mit „vielen Ausgaben “ 33) beladen Ullmans Schülerzahl dürfte zu Anfang des 17. Jahrhunderts merklich zurückgegangen sein. Der Rat riet ihm 1602, sich gegen die Kinder „etwas be¬ scheidenlicher“ als wie bisher zu verhalten, „damit er nicht allein von der Jugend einen mehreren Zugang, sondern sein Nahrung und Unterhaltung desto besser haben könnte“. Dies ist die letzte Nachricht über diesen Schulmann, dem auch im Jahre 1601 mit der Enthebung gedroht worden war.s“ Durch die 1598 einsetzende katholische Reformation kam es zur Schließung der evangelischen Lateinschule im einstigen Dominikanerkloster.*) Abt Johann Wilhelm I. von Garsten brachte im Februar 1603 den Lateinschulmeister Wolfgang Lindner aus Waidhofen nach Steyr, dem die schadhafte Schul¬ wohnung Ullmans eingeräumt wurde. Damit entstand eine katholische Latein¬ schule, an der Lindner bis zum Jahre 1622 und anschließend Matthias Talmann wirkte.3e) Die Neutorschule Das große Hochwasser des Jahres 1572 zerstörte zahlreiche Gebäude am linken Ennsufer, u. a. auch die Lateinschule und die zwei oberen Tore.*“) Aus Wien wurden die kaiserlichen Baumeister Bernhard Camada und Merth Hager herbeigeholt und um ihr Gutachten für den Wiederaufbau der eingestürzten Häuser und Befestigungsanlagen befragt.ss) Etwas später als die Lateinschule, sie konnte im November 1575 wieder bezogen werden, dürfte das mächtige Neutor, ein Doppeltor, fertiggestellt worden sein. Als „obristen“ Baumeister nennen die Ratsprotokolle Jakob Späz.*) Im Jahre 1577 ließ der Rat im Obergeschoß des wuchtigen Torgebäudes an der oberen Brücke die Schulwohnung für Kaspar Thierfelder ein¬ richten. Das Brückengeländer wurde bis zum ersten Joch hinaus beiderseits 79

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