Dazu wurde ein Schwarzbeerschnaps vorgesetzt. Bald hätten die Mannsleute auf die kranke Moidla vergessen, wenn nicht schließlich die Bäurin zum Aufbruch ge¬ mahnt hätte. So ging man denn. Im Stall war es ziemlich finster. Nur in schmalen Bündeln konnte sich das Tageslicht zwi¬ 2 schen den Gittern der Fensterchen durch¬ zwängen. Am Boden lagen zwei Kühe. Die Kroislerin wollte etwas sagen. Doch schnell schnitt ihr der Heilkundige das Wort ab: „Seh alles, kenn' alles, weiß alles, liebe Leuteln!“ Ohne Ueberlegen trat er auf die zunächstliegende Kuh zu, rüttelte sie auf die Beine, rückte sodann bedächtig die stahlgefaßte Brille ans Ende seiner Knollennase und blinzelte mit den grauen Aeuglein viel¬ erfahren listig darüber hinweg. „Höher leuchten!“ gebot er kurz. Der Bauer stellte sich dann rechts, die Bäuerin links vom Tiere auf, und sie streckten die Laterne zum Schädel hin, so daß dieser sich ver¬ wundert nach allen Seiten drehte. Aber schon erfaßte ihn der Vieh¬ doktor, sperrte das Maul angelweit auf, zog die Zunge heraus, guckte in die Glotzaugen, dann wieder auf die Zunge und ließ schließlich wieder in den Rachen leuchten. Dann faltete sich seine Stirne sehr nachdenklich! Ja, sehr nachdenklich! Hierauf betastete er den ganzen Körper und wieder kam er auf die Zunge zurück. Endlich war die Untersuchung beendet. Das Gutachten lautete folgender¬ maßen: Die Moidla hat die Phylloxera. Das heißt auf Deutsch: die Lungel¬ ündung. ent Als er zu bemerken glaubte, daß die Phylloxera nach den länglichen Ge¬ sichtern der Kroislerischen zu schließen den beabsichtigten Eindruck gemacht, fuhr er bedächtig fort: „Die Phylloxera hat's, die Moidla; ärztlich gesprochen. Is a gefährliche Geschicht' so a Lungelentzündung. Gut, daß mi gerufen hast, Kroisl Toni, und nit den büchergscheiten Vieharzt. Der hätt sicher nix erkannt, und die Moidla hätt müssen wahrscheinlich ihr schönes Leben lassen... Was gaffst mi aber gar so stier an, Kroisler? Na, so red!“ Da platzte der Kroisler endlich los. „Du, Dokter, heunt hast di nit wenig gschnitten mit deiner Gscheitheit Hast wohl 's unrichtige Augenglas aufgsteckt. Das Tier da, das die Vielochsen haben soll, ist gar nit die kranke Moidla, sondern die gesunde Seppla. Brauchst ihr keine Medizin einzugeben. Sonst könnt sie wirklich die Vielochsen kriegen. Und dafür tät i mi schön bedanken!“ Ja, mein lieber Viehwunderdoktor, so kann es einem ergehen, der die Phylloxera bei der Seppla und nicht bei der Moidla sucht. 58
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