die Sessellehne, rechtes Bein rückwärts stoßen!“ Wurde gemacht. Nun er¬ laubte sich die Radiodame eine geradezu unglaubliche Bosheit: „Sie, dicker Herr“, rief sie, „Sie stoßen ja ganz kraftlos mit den Beinen. Ja, ja, das kommt davon, wenn man zu wiel Wein trinkt und so spät zu Bette geht. Kräftiger stoßen!!“ Meine Frau lachte verständnisinnig. Mich packte die Wut. Das geht die Radiogesellschaft einen Schmarrn an, wann ich nach Hause gehe und wie¬ viel ich trinke. Ja, wieso weiß denn die davon? O, diese Weiber, diese Trat¬ schen! Erfahren tun sie alles. Ueberhaupt geht mir diese Umeinanderkomman¬ — diererei schon auf die Nerven. Einmal rechtes Bein, dann wieder das linke! Im Aerger stieß ich kräftig nach rückwärts, aber, o weh (unser Turnplatz war sehr beengt)! Schon hatte ich mit dem Fuße die Türfüllung vom Speiskastl durchgetreten und war im Schmalzhäfen gelandet. Scherben klirrten. Meine Frau war einer Ohnmacht nahe, doch ich turnte weiter. Da schrie der Bub plötzlich: „Vater, Vater! Mit dem andern Fuß stößen!“ Was nun geschah, spielte sich so blitzschnell ab, ich kann es nicht erzäh¬ len. Ich weiß nicht, war ich mit dem Schmalzfuß ausgerutscht oder versuchte ich mit beiden Beinen gleichzeitig nach rückwärts zu stoßen? Kurzum, der Sessel kippte um, ich flog wie ein Raketengeschoß im Bogen gegen meine Frau, riß sie mit zu Boden, bohrte meinen Kopf 280 Millimeter in ihre Ma¬ gengrube, sie wurde blaß und erbrach das Frühstück, den guten Milchkaffee und das Kipferl. Ein halbes Kipferl kam heraus, ganz schön und gustiös, wie vom Bäckerladen. Da sieht man 's! Zu uns predigt sie immer: „Gut gekaut ist halb verdaut!“ Und nun? Ein halbes Kipferl, ganz unversehrt! Doch ich wollte ihr deshalb keine Vorwürfe machen, denn wie sie so dalag, wie ein totes Piepiehenderl, nur der Magen hob und senkte sich wie eine Kolben¬ Pumpe mit 75 PS, da wird man zum Philosophen. — Was ist der Mensch?! Rein nichts! Rein gar nichts! Was ist das Leben?! Noch um die Hälfte we¬ niger. Gestern noch auf stolzen Rossen, heute in die Brust gestoßen, morgen in das kühle Graaaab. Meine Liebste schlug die Augen auf und sah mich wehmütig an und deutete vielsagend mit der Hand auf die Stirne. Ich mußte diese Gebärde falsch verstanden haben und wollte ihr den Kopf halten, damit sie besser er¬ brechen könnte. Aber sie wehrte ab. Mittlerweile übten die Kinder die nächste Uebung. Sie lagen auf dem Rücken, rollten sich zusammen, streckten die Beine hoch und gaben sich einen Schwung, der sie zum Sitzen bringen sollte. Dabei drosch der Lausbub das Mädel mit den Fersen so in den Rücken, daß sie an die Kohlenkiste fiel. Ihre Nase sah aus wie eine Orange, auf die ein Elefant gestiegen, total verbeult. Jedenfalls hatte sie von früher her noch was gut bei ihm, denn er grinste sehr zufrieden. Ich wimste dem Bengel einen linken Kinnhaken, der ihn der Länge nach hinstreckte. Er rührte sich nicht mehr. Da stürmte das Ehepaar, das unter uns wohnte, schreiend zur Türe her¬ ein. Die Frau trug einen Pendeluhrkasten wie einen Kindersarg unter dem Arm, der Mann hatte die Uhrgewichte um den Hals hängen, die Taschen mit Rädern und Zeigern vollgestopft, in der Hand schwang er den Perpendikel wie einen Teppichklopfer. „Ja sind Sie denn hirnteppert oder wollen Sie durch den Fußboden durch? Uns sind die Bilder und die Uhr von der Wand gefallen durch Ihr Tollen!“ „Was geht denn das mich an!“ schrie ich zurück; „erzählen's das dem Radio! Die sollen nicht anschaffen, daß man in der Wohnung wie ein ver¬ rückter Geisbock herumspringen muß!“ 49
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