Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1952

er 's beschwören können. Das war die hellichte Hexerei! Als er heimkam, war¬ tete schon die Mutter vor der Haustür. Die Hände hatte sie nach rückwärts zusammengeschlagen, als hielte sie dort etwas verborgen, was nicht jeder Mensch zu sehen brauchte. „So, Bübl, bist da?“ begrüßte die Mutter den Jungen auffallend scharf. „Jetz' komm nur in die Stub'n!" Drinnen kam der Stecken zum Vorschein. „Wart', Bürschl, deine Spitzbübereien mit dem Strohhalm! Jetz' will i einmal dich aussegnen; vielleicht hilft 's dann im Milchstübel!“ Und dann ging die ergrimmte Mutter über den Hansl. Die Häuserin hatte sich hauptsächlich auf den Rücken des kleinen Sünders be¬ um einen praktisch wie die Mütter sind — schränkt. Die Mutter ging — Schritt weiter. Und gründlich nahm sie 's, das muß man ihr lassen. „Hm! Es ist doch ein' recht schöne Sach' um das Beichtgeheimnis,“ dachte sich der Hansl; „und das Gefühl nach der ersten Beicht' ist auch recht schön!“ Dann kroch er mehr, als er ging, durch die Haustüre auf die Wiese, legte sich hart am Zaune ins feuchte Gras. Der grüne, feuchte Rasen kühlt. Der Hansl fühlte instinktiv, was ihm nottat. Zerschlagen an allen Gliedern, wie er war, schlief er bald ein. Ein schmerzhaftes Ziehen und Reißen am Kopfe er¬ weckte ihn bald wieder. Die Ursache davon war nicht etwa die Erkältung, wie man meinen möchte, sie trug einen viel bestimmteren Charakter. Der klapperdürre, geizige Stangenbauer war schon auf der Suche nach dem Peitschenstielverderber gewesen. Und wie er so spähend um das Haus schlich, entdeckte er ihn hinter dem Zaun. Da schob nun der Stanger kniend, mit fest aufeinandergekniffenen Lippen, vorsichtig seine beiden Fangarme durch die Lücke des Zaunes. Dann faßte er, immer noch leise hantierend, Hansl's Ohren und Kopf zwischen die krallenartig umgebogenen Hände. Ganz so wie die Kö¬ chin den großen Suppenhafen an den Handhaben anpackt. Erst als der Bauer beiderseits festen Griff hatte, fing er an, systematisch anzuziehen. Daher das Ge¬ fühl des Reißens in Hansl's Kopf. Der Hansl schrie: „Auweh! Meine Ohr'n! Der Stanger sekundierte grimmgemut: „Auweh! Mein Peitschenstiel!“ Wei¬ ter sprach er kein Wort, er grinste nur. Aber es hatte den Anschein, als ob er sich darauf kaprizieren würde, Hansls dicken, kugelrunden Kopf durch den Spalt zu zerren. Als er endlich nach geraumer Zeit seine Krallenfinger öffnete, da waren Hansl's Ohren so blaurot wie zwei Truthahnkämme. So war der Hansl noch nie malträtiert worden wie heute. Und der Pfarrer hatte ihnen eingeredet, die Seligkeit nach der ersten Beichte sei nicht zu beschreiben, die müsse man fühlen. Der Hansl bedankt sich schön! Er wünscht dem Pfarrer auch solche unbeschreibliche Gefühle. Am nächsten Morgen konnte er sich kaum zur Kommunionbank schleppen, so steif und schmerzhaft waren seine Glieder. Und eine erschreckliche Nervosität hatte ihn befallen. Bald ver¬ meinte er die Klauen des Stangerbauern an seinen Ohren zu verspüren, oder er fühlte die salbungsvollen Hiebe der Mutter mit der Birkenen. Nach der Kommunion machte sich der Hansl heim, so schnell er konnte. Es zog wieder sachte, sachte die Liebe zum Leben ein. Denn zu Hause erwartete ihn heute gewiß nicht mehr der Stecken, sondern Kaffee und „Guglhupf“ mit großen „Zibeb'n“ Der Hansl hatte alles „putzweg“ aufgegessen. Aber stehend ver¬ zehrte er das Frühstück. Die Mutter lud ihn zwar zum Sitzen ein: „Hansl, etz' dich! Mach dir's kommod! Tragst uns ja den Schlaf aus!“ Aber der Hansl schüttelte den Kopf. Der birkene Segen von gestern wirkte noch nach. Als nach und nach Hansl's Ohren abzuschwellen begannen und auch Mutters „Segen allgemach die Kraft verlor, kam ihm wieder der Verstand. Und da brachte er es leicht heraus, daß der verlorene Sündenzettel für ihn so ver¬ hängnisvoll geworden war. Der Flatscher=Simele, so was man sagt, ein guter Freund, hatte den „Zettel“ gefunden und war damit sofort wie ein Leichenbitter von Haus zu Haus gelaufen, um Hansl's Missetaten an die richtigen Adressen zu befördern. 44

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