Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1952

gemacht hatte — die Gewissenserforschung. Die Mutter hatte für den Hansl schon in aller Früh' beim Krämer einen großen Bogen Schreibpapier einge¬ kauft und einen Bleistift Nr. 1. „Hansl,“ sagt sie dann, von der Frühmesse heimgekommen, „da setz' jetz' her zum Tisch, mit dem G'sicht gegen das Kruzifix! Da hast Papier dich hoffentlich langt's — und jetzt denk' einmal ernstlich nach, was du schon alles getrieben hast! Schreib' dir 's fein auf, die groß'n Brock'n und auch die klein', auf daß du deine Sach'n beinander hast für die erste Beicht' heut nachmittag! So, jetzt laß i dich allein.“ Dann begab sich die Mutter mit schlür¬ fendem Tritt in die Küche und hantierte dort herum; aber viel stiller als sonst, um den Gewissen erforschenden Hansl in der Stube drin ja nicht zu stören. Also; da sitzt er, der Hansl! Eigentlich klebt er nur an der äußersten Kante des Stuhles! Bald nagt er am Bleistift, bald wenn ihm ein großer „Brockn“ einfällt, fährt er sich ins Haar, das wie Strohgarben aus seinem Kopf schießt. Hin und wieder schleifte er mit der aufgestellten Hohlhand blitzschnell über die Tischfläche und, wohlgemerkt, nie vergebens. Jedesmal zog er zwischen den sich vorsichtig öffnenden Fingern eine oder auch mehrere Fliegen hervor; er drückt ihnen heute bloß die Köpfe ein; Flügel und Füße läßt er in Anbetracht der bevorstehenden Beichte ungeschoren. Wie er nun so ein paar Jahre im Geiste an sich vorüberziehen ließ, kam ihm der helle Schweiß auf der Stirn. Lumpereien tauchten da vor dem Hansl auf; grün und blau wurde ihm vor den Augen. Und dazu machte die Uhr im Kasten: Wart' — wart’ — wart'! Am schwersten drückte ihn die schwarze Katze der Pfarrersköchin. Diese stran¬ Katze hatte er vor einem halben Jahre in aller Stille ganz kkunstgerecht guliert und den Leichnam im Hühnerstall aufgehängt. „Wie du mir, so ich dir!“ Denn der Hansl war ein Vogelnarr; eine Katze hatte ihm einmal seine singende Freude erwürgt. Darum hatte er diesen „Luderviechern“ allsamt den Tod geschworen. Hinter dem nahen Holunderstrauch hatte er nach vollbrachter Mordtat gepaßt, bis die Häuserin den Hühnern das Futter brachte. Diese wutverzehrten Züge und schauerlichen Grimassen der überdickleibigen Pfarrers¬ köchin mit der kaffeebraunen Warze neben der Nase — oh, da überläuft heute noch den Hansl ein wonniges Gruseln. schrieb er ..Dem Stangerbauer seinen Peitschenstiel abgebrochen... weiter auf den Sündenzettel... Dem Innsbrucker Boten zwei volle Kornsäcke aufgeschnitten... Der Mutter mit einem Strohhalm die Milch aus den Sehüs¬ seln gesaugt... So schrieb er, eine Lumperei nach der andern. Erst gestern noch hatte er das mit dem Strohhalm gemacht. Auf diese Weise brachte er es zustande, daß die Rahmschicht obenauf unversehrt blieb, — sonst nicht abergläubisch — und darunter schwand die Milch. Die Mutter glaubte schon an Hexerei. Der Hansl riet ihr, das Milchstüberl vom Pfarrer „aussegnen“ zu lassen. Erst als er sich hoch in die Dreißig hineingeschrieben hatte, ging es lang¬ samer; und endlich fiel ihm nichts mehr ein. Er las fünf=, sechsmal das ganze Register durch, damit er in Uebung komme, nicht etwa im Beichtstuhl stecken bleibe und so den Pfarrer noch giftiger mache, als es ohnehin schon voraus¬ zusehen war. Schließlich setzte er getreulich den vollen Namen unter das Sün¬ denprotokoll und das Datum. Dann wickelte er den sorgsam zusammengefal¬ teten Zettel in sein Schnupftüchel und das Tüchel in den Hosensack. Das Mit¬ tagessen, Dampfnudel mit kkalter Milch, schmeckte dem Hansl heute nicht so wie sonst. Die Milch rührte er gar nicht an; sie erinnerte ihn zu lebhaft an die Geschichte mit dem Strohhalm. Er getraute sich auch nicht, der Mutter ins Gesicht zu schauen, denn nun trug er es ja schriftlich in der Tasche, daß er ein ganz nichtsnutziger Junge sei. „Hast recht große Brock'n?“ forschte die Mutter. „Hm! So mittelt durch,“ meint der Hänsl kurz nebenhin und ließ sich nicht weiter ein. Nach dem Essen schlich er sich in die Schule und von dort 42

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