mit den bis 1½ m hohen, größtenteils aus Fichten= und Tannennadeln zu¬ sammengesetzten Riesenbauten der Roten Waldameise. Andererseits ist auch der Ausdruck „Waldameise“ nicht eindeutig, denn die größten unserer Ameisen¬ arten, die bis 19 mm langen, dunklen Roßameisen, im Volksmund „Waldbär“ genannt, sind ausgesprochene Bewohner des Waldes, wo sie in alten Schwarz¬ holzstämmen kunstvolle Gänge und Galerien ausnagen, sehr zum Mißbehagen des Forstmannes. Außerdem tragen sie als „Vegetarier“ nichts zur Dezimierung von Forstschädlingen bei. Nicht einmal der Name „Rote“ Waldameise stimmt vollständig, denn der mit feinsten grauen Härchen bedeckte Körper zeigt ein Rot nur am Mittelleib und ist sonst sehr dunkel. Ganz rote Körper hat da¬ gegen die Blutrote, sklavenhaltende Ameise (Formica sanguinea). So schleppen wir uns in der Naturgeschichte immer noch mit oft geradezu irreführenden Bezeichnungen herum und es darf der exakten Zoologie und Botanik nicht verübelt werden, wenn sie sich der internationalen latein=griechischen Namen bedient. Von unserer Roten Waldameise, die in mehreren Spielarten über die ganzen gemäßigten Breiten der nördlichen Erdhalbkugel verbreitet ist, wurde chon seit langem beobachtet, daß die Waldbäume im Bereich der bekannten Hügelnester in Zeiten großen Insektenfraßes von diesem gänzlich unberührt blieben und wie grüne Oasen aus dem sonstigen Bild der Zerstörung heraus¬ ragten. Genauere Untersuchungen haben erwiesen, daß ein Ameisenvolk, dessen Bevölkerungszahl für einen größeren Hügel mit allen seinen dazugehörigen „Dorffilialen“ mit etwa einer halben Million angenommen werden kann, an einem warmen Tag gegen 10.000 andere Insekten zu seiner Ernährung, haupt¬ sächlich aber zur Aufzucht seiner Larven benötigt. Bevorzugt werden dabei die dünnhäutigen, fetten Entwicklungsformen von Blattwespen, Schmetter¬ lingen, Fliegen und Käfern, also Raupen, Maden und Engerlinge, demnach überwiegend Forstschädlinge. Verschmäht werden nur die mit scharfen Abwehr¬ äften ausgestatteten Lauf= und Kugelkäfer, die glücklicherweise ihrerseits zu den Insektenvertilgern zählen, und die Haarraupen, wie etwa die der Schwammspinner, Ringelspinner und der Nonne. Auf diese lauern aber vor¬ zugsweise die großen Laufkäfer, besonders der große blau und goldgrüne Puppenräuber und der Kuckuck. Dieser in jeder Beziehung höchst wunderliche Vogel, der durch sein bekanntes Brutschmarotzertum einen unleugbaren Schaden bringt, macht diesen reichlich wett durch seine ganz einzigartige Fähigkeit, haarige Raupen als Hauptnahrungsmittel zu verzehren. Ein mit besonders dicker Schleimhaut ausgestatteter Magen ermöglicht ihm diese sonderbare Kost. Ganz eigentümlich ist das Verhältnis der Roten Waldameise zu den Blatt¬ und Rindenläusen, deren zuckerhältige Abscheidungen eigentlich die Ernäh¬ rungsgrundlage der voll entwickelten Tiere bilden. Diese „Ameisenmelkkühe“ wie man sie auch genannt hat, leben auf wohl durchsonnten Waldbäumen, saugen dort stundenlang, ohne hier besonderen Schaden zu verursachen und vermögen die aufgenommenen Säfte in ein sehr zuckerhältiges Exkret umzu¬ wandeln. Da dieses klebrig ist, pflegen sie es abzuschleudern und mancher, der unter einer Tanne beschaulich sein Butterbrot verzehrt hat, wird sich gewundert haben, darauf merklich süße Tropfen zu schmecken. Der Volksmund prägte da¬ für den „poetischen“ Namen „Honigtau“. Diesen zu gewinnen, eilen nun die Ameisen den Stamm hinauf, streicheln das Blattläuschen mit den Fühlern, worauf am Hinterleib desselben ein Tropfen Honigtau erscheint, der mit Gier aufgeleckt wird. Die Gegenwart der bissigen Waldameisen schützt nun die Blatt¬ und Rindenläuse vor größeren Verfolgungen und diese sind meist in einer (dem Forst kaum schädlichen) Anzahl vorhanden, so daß sie ungefähr das Existenzminimum der Waldameisen an Nahrung zu decken vermögen, ja diese gewissermaßen „krisenfest“ machen. Kommt es aber im Ameisenvolk mit dem Frühling zur Brutzeit, in welcher bei der volkreichsten Abart 4000 bis 5000 Königinnen (die reifen Weibchen) täglich je zirka 10 Eier legen, so beginnt ein 94
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