Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1951

und näheren Umgebung: die Sklavenhändler aus Nubien und dem Sudan, die Elfenbeinhändler aus Uganda, die Kaffeehändler aus Ostafrika, Abessinien und Südarabien, weiters die zahlreichen Haut= und Fellhändler des Orients. Sie alle nahmen unseren Taler als Gegenwert für ihre Waren und brachten ihn mitunter in Gebiete, die zuvor noch keines Weißen Fuß betreten hatte. Die Staaten des Orients hatten damals noch keine eigenen Münzsysteme. Es waren daher vielerlei Münzen europäischer Staaten im Umlauf. Neben portugiesischen Crusados zirkulierten die spanischen Dublonen, neben dem fran¬ zösischen Louisdor der holländische Löwentaler, neben dem englischen Sove¬ reign die von England herausgegebene indische Rupie. Die bilderreiche und blumige Sprache des Orients gab jeder dieser Münzen einen eigenen Namen, wie „Vater des Zopfes“ weil der auf der Münze abgebildete Regent einen Zopf trug, „Vater des Adlers“, weil diese Münze in der Prägung einen Adler aufwies. Der Maria=Theresien=Taler, oder wie er inzwischen auch wegen der starken Verbreitung in der Levante hieß, der Levantinertaler, aber hieß „Vater der Tropfen“, wohl nach den Perlen des Diadems der Kaiserin auf der Münze so benannt. Trug der Taler jedoch die Jahreszahl des Todes Maria Theresias so hieß ihn die orientalische Welt den „Abu Gnuchte“, den „Vater der Zu¬ der friedenheit“, damit wohl den immer gleichbleibenden hohen Silbergehalt die Münze zum Ausdruck bringend. Kenner des Orients behaupten, daß Münze nicht zuletzt dem Bilde Maria Theresias ihre weite Verbreitung ver¬ dankte, da „das Bild mit tief ausgeschnittenem Kleid und großer Busenfülle dem arabischen Geschmack zusagte.“ Der Engländer R. Burton schrieb 1853, daß Oesterreich durch die Prägung des Talers dem Handel in der Levante und den Ländern am Roten Meere eine bedeutende Entwicklung ermöglicht habe. Er schätzte den Wert der Taler, die sich allein über Suez auf den afrikanischen Kontinent ergoß, auf jährlich etwa 40.000 Pfund Sterling. Vielfach war der Kampf der Großmächte und einheimischer Potentaten gegen den Taler, die entweder den Münzen der eigenen oder neu geschaffenen Währungssysteme zum Durchbruch verhelfen wollten. So ließ z. B. Kaiser Menelik von Abessinien im Jahre 1894 in Paris Taler mit seinem Bildnisse und dem Silberfeingehalt und der Größe des Maria=Theresien=Talers prägen. In Aegypten mußte er dem Einflusse Englands zu Ende des vorigen Jahr¬ hunderts weichen. Vergeblich versuchte die englische Regierung auch in Aden ihrer Trutzfeste am Roten Meer, den Taler zu verdrängen und durch die Rupie zu ersetzen. Ebenso vergeblich wie die türkische Regierung, die Stacheldraht¬ verhaue errichten ließ, um den Talerschmuggel ins Innere des Landes zu ver¬ hindern. Schließlich sah sie ihren vergeblichen Kampf ein und begnügte sich mit der Einhebung eines Einfuhrzolles von 8 Prozent, der von den Taler¬ händlern in Hodeida und Dschedda entrichtet wurde, um wieder in den Besitz des guten „Vaters der Zufriedenheit“ zu gelangen. In Sansibar wurden noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts alle anderen Geldsorten nach ihm bewertet. Wie wohl kaum eine andere Münze hat der Maria=Theresien=Taler durch fast zwei Jahrhunderte eine Rolle als Kolonisator, Erzieher und Repräsentant gespielt; in vielen orientalischen Ländern bildete er den währungstechnischen Ruhepunkt, auf dem die heimischen Zahlungsmittel basierten und dadurch ein Warenaustausch gefördert wurde. Von 1751 bis 1897 waren 133,200.695 Taler in den österreichischen Münzstätten Wien, Hall in Tirol und Günzburg geprägt worden. Im Jahre 1927 konnten nochmals 15 Millionen Stück geprägt werden dann war er mit der Generation, die ihn schätzte und liebte, ins Grab gesunken. Nochmals erlangte er eine politische Bedeutung, als England während des abessinischen Krieges 150.000 Stück und 1938, im Auftrage einer fremden Macht, eine bedeutende Menge genau nach dem Urbilde herstellen ließ, Literatur: O. E. H. Becker „Abu Gnuchte“. 89

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